Mein erstes Barcamp habe ich 2009 besucht, es war das Barcamp Ruhr 2. Es war für mich Web 2.0 zum anfassen. Mit Barcamps hatte ich mich bis dahin nicht viel beschäftigt. Die Motivation war, die ganzen Blogger und Twitternden mal in Echt zu treffen. Am Checkin lag eine Liste aus, in die man sich eintragen konnte, damit nicht immer die Gleichen den Checkin betreuen und selbst nicht am Event teilhaben können. Auf einer Metaplanwand waren die Sponsorenlogos angepinnt. Im Unperfekthaus, in dem das Camp stattfand, konnte man sich überall mit Kaffee und anderen Getränken versorgen. Natürlich habe ich auf meinem ersten Camp eine eigene Session angeboten, so wie es sich gehört. Titel: Barcamps als Veranstaltungsformat in der (politischen) Bildung. Für den Abend musste noch das ein oder andere vorbereitet werden. Es war selbstverständlich, dass man sich dort einbrachte, es hat mir am Anfang geholfen, Kontakt zu den Anderen zu finden. Kurz gesagt, das Mitanpacken und Miteinbringen auf unterschiedlichen Ebenen hat mir geholfen, zu verstehen, was den Geist eines Barcamps ausmacht. Das Einbringen auf einem Barcamp fällt uns Pädagogen häufig leichter, weil wir das Durchführen von Veranstaltungen ja gewohnt sind.
Back to the Roots
Das Format haben Nerds erfunden, weil sie sich f2f austauschen wollten. Also haben sie ein Format nur zu diesem Zweck geschaffen. Es ging nur um den Austausch von Wissen und das Treffen der Anderen. Hätten es Pädagogen entwickelt, hätten sie es wahrscheinlich Open Space genannt. Zu Recht macht man aber zwischen einem Barcamp und einem Open Space einen Unterschied. Und der ist mir nie klarer gewesen, als nach diesem Educamp:
- Reduziertes Drumherum. Es geht ja nur um mich und die Anderen. Komplexe Konzepte sind überflüssig. Dazu gehört auch die verwirrte Idee, das Format weiterentwickeln zu wollen. Ein Barcamp ist ein Barcamp. Die Regeln hat Felix (Link) noch einmal ins Gedächtnis gerufen.
- Keine thematischen Vorgaben. Die Vergabe eines Mottos bei einem Educamp ist überflüssig, es ist meist eh nicht mehr als eine leere Hülse, denn niemand will mehr einschränken, als es ein Educamp eh schon tut.
- Jeder Einzelne ist für das Gelingen der Veranstaltung zuständig. Meiner Meinung nach ist das Orgateam für Bereitstellung des Rahmens zuständig. Der Rahmen ist nichts anderes, als die Zeit und der Ort. Es hat sich eingebürgert mit Hilfe von Sponsoren auch noch Essen und Getränke bereit zu stellen. Das müßte aber nicht sein.
- Wer nicht da ist, kann auch nicht mitmachen. Klingt logisch, ist es aber nicht. Twitter, zunehmend auch Google Hangout, haben dazu geführt, das die f2f Veranstaltungen durchlässiger geworden sind und vorgaukeln, es gäbe einen Rahmen zur Partizipation von aussen. Den kann es aber nur für die Anwesenden geben, siehe Punkt 4. Tweets sind vor allem für die Teilnehmenden selbst relevant. Es sind Gesprächsanlässe.
- Wenn ich’s nicht mache, macht’s keiner. Wenn mir etwas nicht passt oder mir etwas fehlt, muss ich dafür sorgen, es zu ändern. Das Barcamp, und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Formats, zwingt zur Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Wer zu Hause vor Twitter sitzt, macht sich nur den Mund wässrig. Selbst wenn man Verantwortung für seinen Lernprozess übernehmen will, kann man das vor dem heimischen Bildschirm nur begrenzt tun, weil man auf die Hilfe der Anderen vor Ort angewiesen ist. Schnell wird da aus Beteiligung meckern.
- Nicht nur Antworten geben, sondern auch Fragen stellen. Wer also wissen will, wie ein Barcamp organisiert wird oder warum auf Veranstaltungen mehr gemeckert als gewertschätzt wird, kann auch dazu eine Session anbieten. Also weniger meckern und mehr fragen.
- Ergebnisse gibt es genauso wenig wie Lernziele. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass nur dann gelernt wird, wenn es in die eigenen Konstrukte passt. Frei nach einer alten Heimwerkerregel möchte ich ergänzen: Und was nicht passt wird passend gemacht. Deshalb finde ich die Dokumentation in Etherpads auf einem Barcamp zwar gut, aber die anschließenden Blogbeiträge deutlich gehaltvoller. Sie erzählen von der Einpassung und weniger von gemeinsam getragenen Ergebnissen.
Back to the roots heißt vor allem sich dieser Eckpunkte bewusst zu sein und auf dem Barcamp zu verbreiten. Uns allen geht es doch um eine Änderung der Lernkultur und nicht um den Namen eines Formates. Eine solche Kultur zu leben, ist mehr, als sich an Regeln zu halten, es erfordert einen radikalen Umbau unserer Konstrukte. Das wir da erst am Anfang sind, zeigen die Educamps und machen damit auch deutlich, wie dringend wir sie brauchen. Selbst gestandene Barcamper haben sich hier immer wieder an die eigene Nase zu fassen. Und konzipierende Pädagogen haben sich zurückzunehmen. Je leerer der Raum, desto mehr Platz gibt es für Eigenverantwortung.
An das Orgateam richte ich hiermit meinen ausdrücklichen Dank. Niemand von euch hat das Gemecker verdient, dass um das Educamp herum geäußert wurde. Ihr habt viel Zeit investiert und zumindest mir ein weiteres Bildungserlebnis verschafft. Ohne euch hätte ich mir nicht noch einmal so vertieft Gedanken um Barcamps gemacht.
Aha, so fühlt sich also an, wenn man von einem blitzgleichen Erkennen getroffen wird. Ich war ja als Neuling erstmalig dabei und kannte diese Eckpunkte gar nicht, ich jedenfalls bin recht dankbar dafür, dass du sie mal aufgeschrieben hast. Wenn diese Art der Veranstaltung tatsächlich anfangs so minimalistisch gedacht worden ist (Orga stellt lediglich den Rahmen), finde ich es umso ansprechender. So, Eckpunkte kenne ich also nun und finde daher aus meiner Sicht als Neuling, dass das Format gerne so bleiben darf, wie ich es erlebt habe.
Als Barcamp-Neuling möchte ich bezüglich Punkt 4 gerne ergänzen, dass man die Wirkung der Tweets für die Außenwelt nicht unterschätzen sollte: Die Möglichkeit, die Barcamps in Bregenz und Köln per Twitterwall und Stream/Video in Teilen mitzuverfolgen, hat mir mit all den Denkanregungen ganz viel Lust aufs Format und den nötigen Mut gemacht, mich beim ecil12 anzumelden und daran teilzunehmen. Und diese Erfahrung möchte ich nicht missen!
Die Außenwirkung der Tweets darf man nicht unterschätzen aber sie eben auch nicht als Allgemeingültig erklären. Sie können beizeiten dazu führen dass ein Einzelner die Stimmung kippt… dazu wünsche ich mir, dass die 140 Zeichen auch mit dem nötigen Gedankengang über Ursache und Wirkung gepostet werden.
[…] als Neuling auf dem Camp, der zudem nicht so ganz wirklich medien-affin und thematisch eher ein Quereinsteiger ist, empfand ich es als ziemlich anstrengend, mich in der “edububble” zurecht zu finden. Insofern hat mir meine eigene Session auch am Besten gefallen, weil ich dort am Meisten mitmachen und mitgestalten konnte (okay, vielleicht waren die anderen besuchten Sessions auch teilweise nicht so ganz die “Richtigen” für mich). Melli schlägt in ihrem Blogartikel vom Educamp übrigens eine Session für Erstteilnehmer vor, was ich tendentiell unterstützen würde. Oder meinetwegen auch ein Link zum Blogbeitrag von @gibro, was überhaupt ein Barcamp ist. […]
zu Punkt 4: „Wer nicht da ist, kann auch nicht mitmachen“
den sehe ich etwas anders. Einerseits wirken sich die Gespräche, bzw. Diskussionsanlässe auf das nächste BarCamp aus.
Andererseits kann man durchaus auch von außen eine Session halten und an den Gesprächen vor Ort mit teilnehmen. Allerdings muss hier die Voraussetzung gegeben sein, dass die Personen vor Ort diese Person von außen auch mitmachen lassen. Sonst rennt diese Person gegen eine Wand.
Ich glaube daher, dass es sich hier durchaus um unterschiedliche Qualitäten des Teilgebenden handelt, dennoch man auch von außen mitmachen kann. Nur der Aufwand, die Umsetzung und das was man mit herausnimmt, ist differenziert von der Person, die vor Ort anwesend war.
@corinna @melanie Das mit Twitter ist so eine Zweischneidige Sache: Man ist zwar dadurch, auch wenn man nicht vor Ort sein kann dabei, aber mit Partizipation im Sinne der Einflussnahme kann das nur dann etwas zu tun haben, wenn man sich auch konstruktiv einbringt und nicht nur fordernd. Die Tweets sind aber meistens von den Leuten vor Ort geschrieben und haben weniger nur die Leute da draussen im Blick, das Gefühl hat man jedenfalls beim Lesen, sondern eher alle, auch die auf dem Camp selber.
[…] diesem Zusammenhang finde ich die Regeln, die Guido in seinem Blog in die Diskussion gebracht hat, […]
[…] bin aber auch kein Newbie mehr und durchaus mit den Regeln des EduCamp-Prinzips vertraut (@gibro und @empeiria haben in ihren Blogs noch einmal daran erinnert). Ich hatte im Vorfeld ein paar […]
Warum der Fundamentalismus? Eigentlich weiß doch niemand besser als die Pädagogen, dass man die Form an Inhalt und Ziel anpasst. Warum sollte man also an „der einen wahren“ Form festhalten? Nur weil es mal eine Ursprungsform gab, muss man doch nicht immer alles an dieser Form messen.
Das BarCamp-Format ist in die Breite gegangen: Zuerst waren da nur die Nerds, die sich zu digitalen Zeugs austauschen wollten. Danach entstanden auch BarCamps zu Offline-Themen, die mit einem Bezug zur Online-Welt diskutiert wurden, z.B. das Fundraising-2.0-Camp oder das EduCamp. Und inzwischen gibt es auch BarCamps zu Themen, die gar keinen digital-Bezug haben, z.B. zur Inklusiven Schule.
Die Inhalte und die Kreise von Veranstaltern und Teil
nehmendengebenden sind also in die Breite gegangen. Warum sollte es nicht auch unterschiedliche Ausprägungen und Mischformen geben? Manche BarCamps sind barcampiger, andere nehmen Teilnahmebeitrag, wieder andere bieten Kombinationen mit klassischen Frontalformaten oder Workshops an. Je nachdem, wie die Veranstalter das je nach Inhalt und Ziel für angemessen halten.Meine Kritik und die Verhaltensregeln richteten sich ja an die Teilnehmenden, die es auf einem Barcamp nicht geben sollte. Wenn die Zahl derer, die dem Format wenig zu geben, aber viel zu nehmen haben kann man etwas anderes machen, was den Erwartungen angemessen ist, aber es ist dann mit Sicherheit kein Barcamp mehr. Das zeichnet sich durch eben diesen Verhaltenswechsel aus.
Wir sprechen gerne von Weiterentwickeln und es hört sich dann so ann, als sei es danach besser als vorher, aber ich denke, es handelt sich dann eher um eine Anpassung der Formen. Lernkulturen, so wie sie ein Barcamp initiieren kann, kann man schwer weiterentwickeln, sondern die können sie höchsten kollektiv verändern und genau das scheint in Teilen beim Educamp passiert zu sein.
Wenn es andere Konzepte gibt, teilgebende Lernkultur hervorzubringen, sollten wir sie unbedingt ausprobieren. Aber ich halte das Konzept an der totalen Offenheit festzuhalten für ein sehr vielversprechendes. Je leerer der Raum ist, um so eher kann zumindest ich Verantwortung für meinen Lernprozess übernehmen. Deshalb halte ich so fundamentalistisch an dem Format fest.
Aber nicht falsch verstehen, ich bin jederzeit dabei, ausgehend von der Barcampidee andere Wege auszuprobieren, aber das neue ist dann kein Barcamp mehr, sondern braucht einen anderen Namen und nicht nur eine andere Versionsnummer, also bitte keine Barcamps 2.0. Und noch etwas ich gehe auch sehr gerne zu Konferenzen und Seminaren. Es muss nicht alles ein Barcamp sein.
Ich denke, am Begriff „Weiterentwickeln“ lässt sich einiges festmachen. Er suggeriert ja, dass das Alte dann nicht mehr da ist, weil es zum Neuen weiterentwickelt wurde. In diesem Sinne muss (und will wohl) niemand das BarCamp-Format weiterentwickeln.
Es ist ja aber möglich, das Format zu nehmen und in Variationen seiner Grundform anzupassen. Damit verändere ich ja nicht die Grundform, das Vorbild, sondern nur meine konkrete Veranstaltung. Dann werden bestimmt die Fundamentalisten rufen: „Hey, das ist jetzt kein BarCamp mehr!“ Sie haben Recht, es ist nicht mehr die reine Lehre. Aber das macht doch nichts, die wenigsten Dinge sind in der reinen Lehre und für immer zu gebrauchen. 🙂
Ist es nicht auch irgendwie eine Einstellungsfrage?
Bsp.: Eine Teilnehmerin hatte sich bei einem Barcamp ein sogenanntes Förderticket gekauft. Eigentlich eine gute Sache, sie bekam auch noch ein Goodi in Form einer Barcamp Tasse. Ende vom Lied, sie hatte Geld investiert anstatt Ideen und lief hoch erhobenen Hauptes herum… (jaja, meine subjektive Wahrnehmung 😉 ) und versäumte es auch nicht ihr wildfremden Menschen auf die Nase zu binden, dass sie das Förderticket erworben hatte.
Ich weiß, dieses Beispiel ist ein Einzelfall, die meisten würden darüber schweigen… und dennoch, ich finde es extrem wichtig eine Gleichstellung der Teilgeber beizubehalten. Und hierbei denke ich an die Neuen, die das Urformat nicht kennen. Wäre doch fatal, wenn wir am Ende doch wieder nur Teilnehmer hätten, weil sie haben ja dafür bezahlt.
Guido, entschuldige, eigentlich zu viel Text für ein Comment. 🙂
Jöran, das Format hat sich bewehrt und wir sollten viel mehr Fokus auf die Inhalte legen, als auf die Formalia. Jedes Camp ist anders und dieses war eben davon geprägt, dass wir den Neuen nicht geholfen haben. Schade, aber wir lernen daraus. Oder? 🙂
[…] dotcomblog und bei edushift wird zu einer Rückbesinnung auf Grundprinzipien des BarCamps aufgerufen. Andere […]
[…] http://www.dotcomblog.de/?p=3407 […]
[…] zum EduCamp, von der Geschichte (hier) und den Regeln näheres erfahren, die z. B. bei @gibro im Blog und @emperia im Blog nochmal nachzulesen […]
[…] Guido Brombach […]