Educamp 2012 in IlmenauMein erstes Barcamp habe ich 2009 besucht, es war das Barcamp Ruhr 2. Es war für mich Web 2.0 zum anfassen. Mit Barcamps hatte ich mich bis dahin nicht viel beschäftigt. Die Motivation war, die ganzen Blogger und Twitternden mal in Echt zu treffen. Am Checkin lag eine Liste aus, in die man sich eintragen konnte, damit nicht immer die Gleichen den Checkin betreuen und selbst nicht am Event teilhaben können. Auf einer Metaplanwand waren die Sponsorenlogos angepinnt. Im Unperfekthaus, in dem das Camp stattfand, konnte man sich überall mit Kaffee und anderen Getränken versorgen. Natürlich habe ich auf meinem ersten Camp eine eigene Session angeboten, so wie es sich gehört. Titel: Barcamps als Veranstaltungsformat in der (politischen) Bildung. Für den Abend musste noch das ein oder andere vorbereitet werden. Es war selbstverständlich, dass man sich dort einbrachte, es hat mir am Anfang geholfen, Kontakt zu den Anderen zu finden. Kurz gesagt, das Mitanpacken und Miteinbringen auf unterschiedlichen Ebenen hat mir geholfen, zu verstehen, was den Geist eines Barcamps ausmacht. Das Einbringen auf einem Barcamp fällt uns Pädagogen häufig leichter, weil wir das Durchführen von Veranstaltungen ja gewohnt sind.

Back to the Roots

Das Format haben Nerds erfunden, weil sie sich f2f austauschen wollten. Also haben sie ein Format nur zu diesem Zweck geschaffen. Es ging nur um den Austausch von Wissen und das Treffen der Anderen. Hätten es Pädagogen entwickelt, hätten sie es wahrscheinlich Open Space genannt. Zu Recht macht man aber zwischen einem Barcamp und einem Open Space einen Unterschied. Und der ist mir nie klarer gewesen, als nach diesem Educamp:

  1. Reduziertes Drumherum. Es geht ja nur um mich und die Anderen. Komplexe Konzepte sind überflüssig. Dazu gehört auch die verwirrte Idee, das Format weiterentwickeln zu wollen. Ein Barcamp ist ein Barcamp. Die Regeln hat Felix (Link) noch einmal ins Gedächtnis gerufen.
  2. Keine thematischen Vorgaben. Die Vergabe eines Mottos bei einem Educamp ist überflüssig, es ist meist eh nicht mehr als eine leere Hülse, denn niemand will mehr einschränken, als es ein Educamp eh schon tut.
  3. Jeder Einzelne ist für das Gelingen der Veranstaltung zuständig. Meiner Meinung nach ist das Orgateam für Bereitstellung des Rahmens zuständig. Der Rahmen ist nichts anderes, als die Zeit und der Ort. Es hat sich eingebürgert mit Hilfe von Sponsoren auch noch Essen und Getränke bereit zu stellen. Das müßte aber nicht sein.
  4. Wer nicht da ist, kann auch nicht mitmachen. Klingt logisch, ist es aber nicht. Twitter, zunehmend auch Google Hangout, haben dazu geführt, das die f2f Veranstaltungen durchlässiger geworden sind und vorgaukeln, es gäbe einen Rahmen zur Partizipation von aussen. Den kann es aber nur für die Anwesenden geben, siehe Punkt 4. Tweets sind vor allem für die Teilnehmenden selbst relevant. Es sind Gesprächsanlässe.
  5. Wenn ich’s nicht mache, macht’s keiner. Wenn mir etwas nicht passt oder mir etwas fehlt, muss ich dafür sorgen, es zu ändern. Das Barcamp, und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Formats, zwingt zur Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess. Wer zu Hause vor Twitter sitzt, macht sich nur den Mund wässrig. Selbst wenn man Verantwortung für seinen Lernprozess übernehmen will, kann man das vor dem heimischen Bildschirm nur begrenzt tun, weil man auf die Hilfe der Anderen vor Ort angewiesen ist. Schnell wird da aus Beteiligung meckern.
  6. Nicht nur Antworten geben, sondern auch Fragen stellen. Wer also wissen will, wie ein Barcamp organisiert wird oder warum auf Veranstaltungen mehr gemeckert als gewertschätzt wird, kann auch dazu eine Session anbieten. Also weniger meckern und mehr fragen.
  7. Ergebnisse gibt es genauso wenig wie Lernziele. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass nur dann gelernt wird, wenn es in die eigenen Konstrukte passt. Frei nach einer alten Heimwerkerregel möchte ich ergänzen: Und was nicht passt wird passend gemacht. Deshalb finde ich die Dokumentation in Etherpads auf einem Barcamp zwar gut, aber die anschließenden Blogbeiträge deutlich gehaltvoller. Sie erzählen von der Einpassung und weniger von gemeinsam getragenen Ergebnissen.

Back to the roots heißt vor allem sich dieser Eckpunkte bewusst zu sein und auf dem Barcamp zu verbreiten. Uns allen geht es doch um eine Änderung der Lernkultur und nicht um den Namen eines Formates. Eine solche Kultur zu leben, ist mehr, als sich an Regeln zu halten, es erfordert einen radikalen Umbau unserer Konstrukte. Das wir da erst am Anfang sind, zeigen die Educamps und machen damit auch deutlich, wie dringend wir sie brauchen. Selbst gestandene Barcamper haben sich hier immer wieder an die eigene Nase zu fassen. Und konzipierende Pädagogen haben sich zurückzunehmen. Je leerer der Raum, desto mehr Platz gibt es für Eigenverantwortung.

An das Orgateam richte ich hiermit meinen ausdrücklichen Dank. Niemand von euch hat das Gemecker verdient, dass um das Educamp herum geäußert wurde. Ihr habt viel Zeit investiert und zumindest mir ein weiteres Bildungserlebnis verschafft. Ohne euch hätte ich mir nicht noch einmal so vertieft Gedanken um Barcamps gemacht.