Ich habe mich wie jedes Jahr (2010, 2011) über die JIM-Studie hergemacht und jenseits eines oberflächlichen Blicks in die Tiefe geschaut, die Studie in Teilen kritisiert, aber vor allem interpretiert. Ich denke, dass die Auswirkungen des mobilen und allgegenwärtigen Internets in den Ausführungen zur Studie komplett unterschätzt werden und ich hoffe, dass das Studiendesign den Spagat schafft, eine vielbeachtete Langzeitstudie zu sein und sich gleichzeitig den ständig ändernden Umgebeungsvariablen anzupassen.
Die Top-five sind wenig überraschend. Danach kommt erstmal lange nichts. Das Handy war auch 2011 schon an Platz eins. Es ist also nicht dort, weil man damit im Internet surfen kann und Facebook im Blick hat, sondern weil es schon länger Teil der digitalen Privatsphäre Jugendlicher ist. | |
„Nutzung der Tageszeitung (12-13 Jahre: 25 %, 14-15 Jahre: 31 %, 16-17 Jahre: 47 %, 18-19 Jahre: 58 %)“ (Seite 13, JIM Studie 2012). Dagegen das regelmäßige lesen von Büchern „(12-13 Jahre: 51 %, 14-15 Jahre: 39 %, 16-17 Jahre: 42 %, 18-19 Jahre: 35 %)“ (Seite 13, JIM Studie 2012). | Die Zahlen machen deutlich, dass sich weniger die Zeitungen, die natürllich auch, aber vielmehr die bücherverlegende Zunft Gedanken um ihre Zukunft machen sollte. Denn je Älter die Jugendlichen werden, um so weniger lesen sie Bücher und um so mehr die Tageszeitung. |
Es ist schon interessant welchen Stellenwert der Datenträger bei der Glaubwürdigkeit einnimmt. Natürlich kann eine Information in der Zeitung ebenso unglaubwürdig sein, wie die im Internet. Entscheidend sind ja eigentlich andere Kriterien bei der Bewertung von Glaubwürdigkeit. Die Frage impliziert, dass die Glaubwürdigkeit vom Medium und nicht von der Quelle bestimmt wird. Die gestellte Frage (siehe im Bild unten) läßt jedoch die Antwort: „das hängt von der Quelle ab“ überhaupt nicht zu. Ich halte die Frage und damit auch die gegebenen Antworten für unbrauchbar. | |
Wie schon oben erwähnt, gaukeln die Duchschnittszahlen kaum Bewegung vor, in Wirklichkeit sind die Nutzungszahlen aber in den einzelnen Alterskohorten äußerst different (hier noch mal zur Wiederholung (siehe oben): 12-13 Jahre: 51 %, 14-15 Jahre: 39 %, 16-17 Jahre: 42 %, 18-19 Jahre: 35 %). | |
Im Falle der Musikvideos ist die Rezeption mit Fernsehen maximal ein sowohl als auch. Das „musikalische Kurzfilme“, wie es in der Studie heißt nur über das Fernsehen geschaut werden ist so gut wie nicht nennenswert. Das Internet hat auch hier die Vorherschaft übernommen. | |
Der Realitätsgehalt hat einen Knick und wird von mehr 18-19 jährigen als realistischer eingeschätzt, als in der vorhergehenden Alterskohorte. Die Realitätseinschätzung hat also offensichtlich nichts mit dem Alter zu tun, denn sonst würde man erwarten, je Älter, desto weniger Jugendliche fallen auf den Scripted Reality Schwindel herein.Was heißt das für die Altersbewertung von Filmen, die geradezu davon ausgehen, das Jugendlichen ab einem bestimmten Alter klar ist, dass es sich in Filmen nicht um die Realität handelt?Traurig ist auch, dass die Einschätzung des Realitätsgehaltes eine Frage der Schulbildung ist, denn es kann keine Frage des mitgebrachten Intellektes sein, weil die Botschaft mehr als einfach zu verstehen ist. Darüber hinaus müßte es auch den Eltern klar sein, dass es sich bei allem, was man im Fernsehen sieht um eine Scripted Reality handelt. Aber wahrscheinlich reden Eltern selten mit ihren Kindern über den Realitätsgehalt von Medien. | |
„Laptops (56 %) sind inzwischen weiter verbreitet als Desktop-PCs (43 %)“ (JIM Studie 2012, S.30). „Entsprechend können 87 Prozent der Jugendlichen (auch ohne Handy) von ihrem eigenen Zimmer aus mehr oder weniger unbeobachtet online gehen.“ (JIM Studie 2012, S.31). Ich glaube nach wie vor, dass eine digitale Privatsphäre für Jugendliche unerlässlich ist. Also ein Ort, an dem die Eltern nicht über die Schulter schauen, auch nicht heimlich, dennoch bin ich ein großer Freund von gemeinsam statt einsam und das wäre mit einem Großteil der in Haushalten vorhandenen digitalen Medien möglich und wird, wie die JIM-Studie auch zeigt bei Computerspielen praktiziert (siehe unten). Es wurde auch danach gefragt, ob die Jugendlichen um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie ins Internet gehen. Das Ergebnis ist: „Ungefähr im Alter von 16 Jahren nutzen nahezu alle Jugendlichen das Internet selbstbestimmt und eigenständig.“ (JIM Studie 2012, S.31) |
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Die 49% bei Smartphones ist ein Durchschnittswert, die 18-19 jährigen sind deutlich häufiger mit dem Smartphone online: 12-13 Jahre: 32 %, 18-19 Jahre: 59 % (JIM Studie 2012, S.32).Diese heftige Veränderung (jährliche Verdopplung der Zahlen) im Nutzungsverhalten macht auch deutlich, dass Führerscheine nicht weiterhelfen, solange sich alle 3 Jahre das Nutzungsverhalten komplett verändert. | |
In Profilen stöbern scheint auch auf die Bedeutung der sozialen Netzwerke bei Jugendlichen zu verweisen. Dabei geht es wohl nicht nur um Kommunikation, sondern auch um die „Außenwirkung“. Das ist zwar nur eine Interpretation, sie läßt sich aber durch „Profile stöbern“ stützen. | |
Auch hier gibt es leider wenig Erfreuliches zu berichten. „49 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen Computer und Internet mindestens mehrmals pro Woche, um zu Hause für die Schule zu arbeiten bzw. zu lernen.“ (JIM Studie 2012, S.37) „In der Schule selbst ist die Arbeit mit Computer und Internet allerdings nach wie vor eher selten die Regel (25 %)“ (JIM Studie 2012, S.37). Auch das sind Durchscnittswerte und zwischen 2009 und 2012 gab es zumindest einen Anstieg um 9%. Das ist nicht viel, aber Schule braucht offensichtlich für die Einrichtung auf das digitale Zeitalter viel Zeit. | |
Unbestritten ist Web 2.0 kein geeigneter Begriff um auf die Aktivitäten von Jugendlichen im Internet zu referenzieren. Dass Jugendliche im Internet so aktivitätsarm aussehen, liegt aber vielleicht auch an der Definition, was als Aktivität jenseits von Facebook verstanden wird. Ein paar Seiten vorher lässt sich in der JIM Studie lesen: „jeder Dritte hat sogar ein eigenes Konto, mit dessen Hilfe die Videos verwaltet und archiviert oder eigene Videos online gestellt werden können.“ (JIM Studie 2012, S.35). Die Erstellung von Playlisten auf Youtube sind natürlich ebenso von der reinen Rezeption zu unterscheiden (vergleiche dazu auch Heranwachsen im Social Web (pdf) des Hans Bredow Instituts S. 11).Wenn es also heißt „Eigene Inhalte werden nur von einem Fünftel regelmäßig erstellt“ (JIM Studie 2012, S.38), dann hängen eigene Inhalte natürlich auch die Messlatte für selbst aktiv werden sehr hoch. | |
„15 Prozent der 12- bis 19-jährigen Internet-Nutzer ist es schon passiert, dass im Internet Falsches oder Boshaftes über ihre Person verbreitet wurde“ (S.38) und „23 Prozent der Internet-Nutzer, dass es in ihrem Bekanntenkreis eine Person gibt, die im Internet schon einmal fertig gemacht wurde.“ (S.39) | (Cyber-)mobbing ist für die Jugendlichen offensichtlich häufig mit unmittelbaren Erfahrungen verbunden. Es fehlt aber die spannende Frage, welche Konsequenzen das für ihr Nutzungsverhalten zur Folge hat. Vielleicht wird das ja im nächsten Jahr mit berücksichtigt. |
„Der Service, sich per Handy über Neuigkeiten in der Community informieren zu lassen, hat sich stark entwickelt: Machten im Vorjahr 16 Prozent der täglichen Nutzer von dieser Möglichkeit Gebrauch, ist dieser Anteil aktuell auf 41 Prozent angestiegen.“ | Auch hier hat der Einfluss des Smartphones Veränderungen im Nutzungsverhalten zur Folge. Es ist davon auszugehen, dass sich das vor allen Dingen auf die tägliche Nutzung auswirkt. Dienste, die ehemals asynchron genutzt wurden, bzw. für die asynchrone Nutzung geeignet sind, entwickeln sich durch Smartphones und eine deutlich erhöhte Nutzungsfrequenz zu synchronen, zu Echtzeitkommunikation (wenn man mal bei „Community“ eine Facebook-Nutzung unterstellt.)Es ist auch zu überlegen, die tägliche Frequenz stärker zu unterteilen, wenn das überhaupt möglich ist. Mehrmals, jedoch hört sich an wie 6 mal täglich. |
Nachrichten an andere verschicken und chatten sind die großen Nutzungsblockbuster. Auf eine Pinnwand posten oder selbst zu veröffentlichen, was man gerade macht, scheint bei Jugendlichen nicht besonders ausgeprägt zu sein. Das ist zumindest für mich neu. Mit Nachrichten kann man natürlich auch die Privatsphäreneinstellungen umgehen, Nachrichten versendet man letztendlich an einen selbst bestimmten Personenkreis, ähnlich einer E-Mail. Sharingfunktionen gibt es bei Nachrichten nicht, es sei den Copy&Paste. 31% posten nie einen Status auf Facebook! | |
„Ebenfalls deutlich angestiegen ist die Anzahl der Freunde, mit denen Nutzer einer Online- Community vernetzt sind. 2010 waren es im Durchschnitt 159 Freunde, 2011 dann schon 206 und mit aktuell 272 Freunden ist ein neuer Höhepunkt erreicht. Dass es sich hier um einen weiten Freundschaftsbegriff handelt liegt einerseits auf der Hand, ist aber vor dem Hintergrund der Privacy-Optionen (öffentlich vs. Freunde) nicht unkritisch. Schnell können so an eine Vielzahl weniger guter Freunde (und ggf. deren Freunde) Informationen gelangen, die mit dieser Verbreitung nicht mehr zurückgeholt werden können.“ (S. 44) | Auch das ist nicht besonders alarmierend. Je länger man in solchen Netzwerken ist, desto mehr Freunde sammelt man an, weil es nicht möglich ist, alte Freundschaften zu kündigen. Interessanter wäre die Frage, mit wievielen der Freunde tatsächlich Kontakt besteht. Das wird sich sicherlich die Waage halten. So ist der Gang des Lebens. alte Freunde gehen, neue kommen. Sei es durch Urlaub, Umzug oder Wechsel des Sportvereins, es kommen in jedem neuen Lebensabschnitt neue Freunde hinzu. Wie zu sehen ist, steigen die Freunde von Jahr zu Jahr proportional an. Das wird mit den beschrieben Wechseln zu tun hat und auch im nächsten Jahr nicht abreißen wird. |
Jugendliche haben zwar ein schlechteres Gefühl bei der Veröffentlichung ihrer Daten, aber sie machen es trotzdem:Für die Selbstdarstellung sind genau diese Informationen für Andere besonders wichtig. Für die eigene Identitätsbildung ist doch gerade das preisgeben eigener Fotos und Filme besonders wichtig.“Die Chance aber, Aspekten der eigenen Person, vor allem durch das Ausfüllen von Profilseiten auf Netzplattformen inklusive der darin integrierten Fotos, Ausdruck zu verleihen und zu veröffentlichen, wird hingegen von den weitaus meisten Jugendlichen genutzt.“ (vergleiche dazu auch Heranwachsen im Social Web (pdf) des Hans Bredow Instituts S. 14 ff) | |
Konsolenspiele mit Anderen sind insgesamt beliebter als alle anderen Computerspieleformen. Jugendliche nutzen Computerspiele zwar auch alleine, aber sie sind auch Teil der Vergemeinschaftung. Der vereinsamte Jugendliche ist also auch nur Teil eines sich gut haltenden Vorurteil. Die gelebte Realtität ist eine andere. Die JIM-Studie findet heraus, dass beim Computerspielen mit Anderen Freunde und Bekannte die wichtigsten Spielpartner sind (siehe S.48). | |
Handynutzung ist eines der spannendsten Themen der aktuellen JIM Studie, weil in diesem Bereich am meisten Dynamik ist. In der linksstehenden Grafik werden Handy und Smartphonebesitz gegenübergestellt. Die jährliche Verdoppelung der Smartphonebesitzer müßte 2013 zu einer fast vollständigen Substitution von Handys durch internettaugliche Smartphones führen. Dazu wird es natürlich nicht kommen, sicher ist aber auch, dass der Markt noch lange nicht gesättigt ist und eine hohe Bereitschaft besteht, das Internet in die Hosentasche zu stecken. Warum allerdings zwischen Smartphone und iPhone differenziert wird ist mir schleierhaft. Zumal sich die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten von Smartphones nicht auf die monatlichen Kosten der Handyrechnungen niederschlagen.“Jeder dritte Handybesitzer zwischen 12 und 19 Jahren hat eine Flatrate zur Internetnutzung, so dass die Kosten für eine mobile Nutzung kalkulierbar sind.“ (S. 53) | |
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„Trotz der vielfältigen Funktionen, die Handys heute bieten, bleiben die häufigsten Nutzungsformen doch die Grundfunktionen des Mobiltelefons, nämlich das Anrufen und die Kommunikation via SMS.“ (S.55) Danach werde zwar noch ein paar Neuerungen eingebracht. Allerdings erweckt das den Eindruck, dass die Jugendlichen noch nicht besonders viel mit den neuen Möglichkeiten anfangen können. Im Vergleich mit den beiden Vorjahren kann man aber sehen, dass angerufen werden/anrufen zusammengezogen wurden in sofern erhöht sich dadurch automatisch die Frequenz dieser Nutzungsart. Und viele Internet- bzw. Appbasierte Anwendungen sind dazu gekommen und haben damit in Gänze die Handynutzung in ein ganz anderes Bild gerückt.Im Internet surfen hat sich beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Das geht mit einer Verdoppelung der Smartphones einher. Für die Zukunft müßte man eigentlich Handy- und Smartphonenutzung getrennt voneinander auswerten. Und es ist sicherlich keine allzu gewagte Prognose, wenn davon auszugehen ist, dass sich die Zahl der Smartphonebesitzer weiter deutlich erhöhen wird. |
Erfreulich ist, dass die Schule das Thema aufgegriffen hat. Leider liegen keine Vergleichszahlen vor. Allerdings wurde untersucht, welche Konsequenzen die Vermittlung von Medienkompetenz hat:Auch die Ergebnisse machen Mut, zeigen sie doch, dass die Thematisierung der Alltagswelt von Jugendlichen auf fruchtbaren Boden fällt. Die gestellte Frage ist allerdings verfehlt und hebt ausschließlich darauf ab, vor den Gefahren des Internets zu warnen. Welche Erkenntnisse zu erwarten wären, wenn digitale Medien in die Schule eingebettet würden kann man sich nur entfernt ausmalen. Aber es hätte mit sicherlich ein vielfaches an Wirkung. |
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