Ich habe mir, wie jedes Jahr (2010, 2011, 2012), die JIM Studie (pdf mit meinen Notizen) genauer angesehen und darüber nachgedacht, was die Ergebnisse für die medienpädagogische Praxis bedeuten.
Einen Blick auf den Besitz eines Smartphones deutet schon an, dass die Nutzung des mobilen Internets für einen Großteil der Jugendlichen selbstverständlich geworden ist. Was so selbstverständlich klingt, stellt aber eine große Medienrevolution da. Die Smartphones sind vollständige Computer, die durch das Internet bereitgestellten Informationen stehen allgegenwärtig zur Verfügung. Und Bildungseinrichtungen haben keine Antwort auf diese Mediennutzung gefunden, ausser die Geräte zu verbieten. Wir haben noch nicht mal begonnen unsere eigenen Nutzungsgewohnheiten zu reflektieren, geschweige denn die unserer Kinder und Jugendlichen. Das meine ich jenseits aller Gefahren und Chancen, sondern vielmehr in Hinblick auf die persönlich geänderten Lebensgewohnheiten innerhalb der letzten 5 Jahre. | |
In den TOP 3 gab es eine Verschiebung bei der Medienbeschäftigung in der Freizeit. Das TV ist auf Platz 3 abgesunken. Im Verlauf der Studie wird zwar klar, dass das TV keinesfalls auf dem absteigenden Ast ist, sich aber die Aufmerksamkeit häufig mit einem zweiten Display teilen muss. | |
Der Fernseher wird zum Hintergrundrauschen. Ich habe das Gefühl, dass die TV-Formate das noch nicht begriffen haben. Die Nennung eines Hashtags zu einer Sendung oder der Chat danach ist noch nicht mal ein Anfang. Und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Beschäftigung mit dem Internet von dem laufenden Fernsehprogramm abgekoppelt ist. | |
Dieses Chart belegt, wie sehr ehemals getrennte Technologien zusammenwachsen, und die Studie nur schwer darauf zu reagieren weiss. Die Internetnutzung und die Nutzung des Smartphones getrennt von einander abzufragen ist nur schwer nachzuvollziehen, das zeigt auch das vorangegangene Chart. | |
„Eine deutliche Vera?nderung hat sich im Vergleich zu fru?heren JIM-Studien aber hinsichtlich der Nutzungsdauer ergeben. Nach Selbsteinscha?tzung der Jugendlichen sind sie an einem durchschnittlichen Tag (Mo-Fr) 179 Minuten online, das sind 48 Minuten mehr als im Vorjahr. “ |
Für den heftigen Anstieg der Onlinenutzung wird das Smartphone verantwortlich gemacht. Das halte ich auch für eine richtige Einschätzung. Darüber hinaus folgen die Ergebnisse auch individuellen Beobachtungen, dass das Smartphone als ständiger Begleiter nicht nur im öffentlichen Nahverkehr Alt und Jung beschäftigt. |
„Durch eine kostengu?nstige Flatrate haben mittlerweile drei Fu?nftel der Handy-Besitzer die Mo?glichkeit, das Internet vom Handy aus nahezu unbegrenzt zu nutzen.“ (Seite 52) |
Wer glaubt, das es sich bei diesem Chart nur um eine unbedeutende Veränderung des Zugriffs auf das Internet handelt, täuscht sich! Die Wege der Internetnutzung ändert einen Großteil unserer bisherigen Routinen. Wir kommunizieren just in Time und ständig. Der Zugang zum Internet ist nicht mehr so stark abhängig von technischer Verfügbarkeit, sondern vielmehr von gesellschaftlichen Verabredungen. Daraus folgt, dass wir uns mit Verboten und Bevormundungen aber auch mit gemeinsam verhandelten Vereinbarungen auseinander setzen müssen. Technik ist also nicht mehr so sehr eine Frage des Zugangs, als vielmehr eine der gesellschaftlichen Vereinbarung. |
„Im Bereich der unterhaltenden Angebote, die fest in den Alltag der Jugendlichen integriert sind, liegt die Nutzung von Bewegtbildinhalten an erster Stelle, 74 Prozent suchen regel- ma?ßig Videoportale wie „YouTube“ auf. Immer mehr Jugendliche haben speziell bei „You- Tube“ ein eigenes Nutzerkonto angelegt“ (Seite 32) „Wie die Auswahl einiger dieser Mitmach-Mo?glichkeiten zeigt, findet eine aktive Beteiligung im Internet (Beteiligung innerhalb der letzten 14 Tage) am sta?rksten u?ber die Videoplattformen wie „YouTube“ statt.“ (Seite 34) |
Youtube ist schon lange nicht mehr nur das Fernsehen des Internets, sondern eine Community. Die JIM Studie unterscheidet bei der Nutzung des Internets die Bereiche Kommunikation, Spiele, Informationssuche und Unterhaltung. Nach wie vor wird Youtube in der JIM-Studie unter Unterhaltung gefasst, die Studie zeigt aber, dass Youtube eigentlich zu dem Bereich der Kommunikation im Internet gezählt werden müsste. |
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Das ist nicht viel anders als 2012. Die Jugendlichen schreiben eher Nachrichten, als öffentlich an ihre Pinnwand. Das ist für mich recht überraschend. Weil es die Diskussion um unerwünschte Bilder, die bei einer späteren Bewerbung negativ ausgelegt werden könnten stark relativiert. Es bringt Facebook aber auch in eine direkte Konkurrenz zu Whats App. Wenn der Anbieter eine Desktop Variante seines Dienstes launchen würde, könnte das Facebook eine ganze Menge jugendlicher Nutzender kosten.Es wird aber auch deutlich, wie stark die Nutzung der mobilen Geräte von traditionellen Nutzungsweisen bestimmt wird. Die ausgeprägte Präsens von Whats App ist ein Indiz dafür, dass die Smartphones vor allem zum Austausch von Kurznachrichten genutzt werden.Unter Punkt 13 in der Studie wurde der praktische Einsatz von Medien eruiert. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen gibt an, schon einmal einen Videofilm gemacht zu haben (Seite 57). In welchen Zusammenhängen die Medienproduziert werden bleibt offen, da aber auch Printprodukte, Hörspiele und Schülerradio abgefragt wurden unterstelle ich, dass es sich um angeleitete Medienproduktion handelt.
Die alltägliche Integration mobiler Geräte und der auch produzierende Umgang stimmen hoffnungsvoll. Wer anfängt zu produzieren, und sich dabei als Autor erlebt, möchte vielleicht auch in anderen Bereichen wie Schule oder Gesellschaft mehr gestalterischen Einfluss bekommen. |
Was die Lehrer betrifft, ko?nnte der Anteil sinken, wenn noch mehr Bundesla?nder dem Beispiel von Rhein- land-Pfalz folgen und die Nutzung sozialer Netzwerke fu?r schulische Belange offiziell regeln bzw. untersagen.“(Seite 40) |
So was kann man doch nicht offiziell regeln, lieber Forschungsverbund. Das müssen die Lehrenden doch selber einschätzen lernen und regeln. Wer darüber Support für seine Schüler_innen anbieten will, dem sollte man keine Steine in den Weg legen. Neben der Freundschaft blieben ja auch noch andere Formen der Vernetzung in Sozialen Netzwerken zu diskutieren. Wer z.B. eine Gruppe gründet, muss sich nicht zwangsläufig mit allen Mitgliedern befreunden, um einen gemeinsamen Arbeitszusammenhang zu schaffen.Wieviel Freiwilligkeit mit der Vernetzung verbunden ist, bleibt zu diskutieren. |
„Immer ha?ufiger erfa?hrt die O?ffentlichkeit von ungewollten oder unerlaubten Datenpannen bei Netzbetreibern und es ist kein Geheimnis mehr, dass die Nutzungsdaten in sozialen Netz- werken kontinuierlich erfasst und gegen Zahlung auch an Dritte weitergegeben werden.“ (Seite 41) | Sicherheit ist keine Frage ob Daten an Dritte verkauft werden, sondern nur, ob Daten gegenüber Kriminellen geschützt werden können. Das kann man doch nicht in einen Topf werfen. Keine Sozialer Netzwerk Betreibender hat ein Interesse Nutzungsdaten an Dritte zu verkaufen, damit würden sie sich ja selbst obsolet machen. Es ist vielmehr so, dass das Wissen über Vorlieben und Neigungen verkauft wird, aber nie die Daten selbst. |
„Bislang war das Thema Computerspiele eindeutig ein Thema fu?r Jungen und junge Ma?n- ner. Etwas anders stellt es sich bei Handyspielen dar. Bei der Nutzung von digitalen Spielen u?ber Handy oder Smartphone ist der Anteil an regelma?ßigen Spielern bei Jungen und Ma?dchen fast ausgeglichen (Ma?dchen: 41 %, Jungen: 48 %)“ (Seite 47) | Auch ein Indiz dafür, dass das Smartphone bisherige Nutzungsgewohnheiten auf den Kopf stellt. Es zeigt aber auch, dass die Integration des Internets in den Alltag neue Anwendungsszenarien hervorbringt. Im Bereich der Kommunikation ist das offensichtlicher zu beobachten, als bei Computerspielen. Aber die den meisten Spielen innewohnende Belohnungslogik scheint Mädchen und Jungen gleichermaßen zu faszinieren. |
Die in dieser Studie dargelegte Alltäglichkeit des mobilen Internets und die damit verbundenen Rezeptionsgewohnheiten nicht nur beim Fernsehen machen deutlich, das unsere Gesellschaft vor einer mächtigen Umwälzung steht, deren Vorbote die Verbreitung mobiler Gerätschaften ist. Es handelt sich jedoch um wesentlich mehr als nur die Auseinandersetzung mit veränderten Zugangsformen zum Internet. Es handelt sich um veränderte Spielregeln, die unser Zusammenleben unsere Arbeitswelt, unser Verhältnis zu Privatsphäre und Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Umgang mit Informationen einscheidend verändert wird. Jeder Mensch muss sich dazu positionieren, sonst wird er positioniert. Konservatismus wird keine Antwort sein. Es ist eine Zeit, in der man Entscheidungen zurücknehmen können muss, weil man sich getäuscht hat.
Danke, Guido. Deine zusammenfassenden Gedanken helfen mir sehr weiter.
[…] Gerade vor 2 Wochen ist die aktuelle JIM-Studie 2013 erschienen, sie darf hier nicht unerwähnt bleiben, bietet die Studie doch wichtige Einblicke in das Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen. Beispielsweise zeigt sie, dass die Nutzung des mobilen Internets bei Jugendlichen mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Mit dieser Aussage decken sich auch Äußerungen meiner eigenen Schüler, die z.B. schon in Klasse 5 zu 3/4 einer Klasse mit eigenen Smartphones versorgt sind und “dafür schon eine Flatrate für Internet, SMS und Telefonie haben”, wie mir ein Schüler vor ein paar Tagen bestätigte. Diese Smartphones sind leistungsfähige Computer, die durch einen Internetzugang Informationen zu jeder Zeit zur Verfügung stellen und darüber hinaus Apps und die Möglichkeit zur Kommunikation und Kollaboration bereit stellen – unabhängig von Zeit, Ort und Entfernung. Bildungseinrichtungen finden in der Regel aber nur eine Antwort auf diese Mediennutzung: Das Verbot der Nutzung der Devices. Interessant finde ich auch, dass das TV immer mehr in den Hintergrund des jugendlichen Interesses tritt oder – wie man so schön sagt – zum “Second Screen” wird, d.h. neben den TV-Bildschirm tritt der parallel genutzte Screen des Smartphones, Tablets oder Laptops. YouTube hat die Beliebtheit weiter ausgebaut – es ist nicht “das TV des Internet” sondern zu einer regelrechten Community geworden, auf der nicht nur lustige Katzenvideos geschaut, sondern auch vieles “gelernt” und Informationen geteilt werden. Auch “professionelle” Bildungsanbieter sind dort mit ihren Lernvideos vertreten, v.a. stammen diese noch aus den USA. The “Textgeneration”: Allen Unkenrufen zum Trotz schreiben die Jugendlichen mehr denn je – allerdings per WhatsApp oder FaceBook Messenger, denn diese beiden sind die wichtigsten Apps auf dem jugendlichen Smartdevice. Wer mehr lesen will: Eine gute Auswertung und Übersicht der JIM13 findet man bei @gibro. […]
[…] Die Auswirkungen der Alltäglichkeit des allgegenwärtigen Internets – Eine kommentierte Versi… […]