Android im Wald

CC by Johan Larsson (flickr)

@hauteculture stellt die Frage: Was ist mobile learning? Zu recht sollten wir uns diese Frage stellen, ist doch der Begriff irreführend und ungeeignet.

Der Begriff m-learning oder auch mobile learning in Analogie zum e-learning, also dem elektronischen Lernen ist aus meiner Sicht sehr unglücklich gewählt. Er verschweigt, dass es die technische Unterstützung ist, die den Begriff m-learning eigentlich stützt. M-learning ist also eine spezialisierte Form des e-learnings. Nimmt man die Beispiele, die im Blog Lernexperiment recherchiert wurden, so scheint mobile learning vor allem mit dem Handy als Gerät verknüpft zu sein. Die Beispiele sind gerade keine für die Notwendigkeit von mobilen Geräten, weil die Nutzenden in der Regeln in einem Klassenraum vor einem Buch sitzen. Eigentlich soll die Technik ja gar nicht im Vordergrund stehen, tut sie aber in den gewählten Beispielen doch. Bei Christoph Göth, Dirk Frohberg, Gerhard Schwabe ist unter dem Titel „Von passivem zu aktivem mobilen Lernen“ zu lesen:

„Durch die Fokussierung auf das Mobilgerät, wird exploratives Lernen im Kontext gehemmt. Die Umgebung wird tendenziell als körperlicher Bewegungsraum, nicht aber als kognitiver Handlungsraum, genutzt. Spielerische Elemente sind selten vorhanden oder konkurrieren mit dem Lernziel. Lernende bleiben weitgehend voneinander isoliert oder auf einen Lernpartner beschränkt. Paarübergreifende Synergien durch kooperatives Lernen in Gruppen können so nicht genutzt werden. Häufig fehlen geeignete und ausreichend bequeme Kommunikationsmöglichkeiten.“ (Quelle)

Kurz: Der Begriff des m-learnings ist missverständlich, ähnlich wie der Begriff „selbstlernen“. Auch hier wird vorausgesetzt, wir könnten nicht selbst lernen. Beim mobilen Lernen ist es ähnlich, letztendlich lernen wir immer mobil, also an unterschiedlichen Orten. Auch dann, wenn keine digitalen Geräte in unserer Nähe sind. Warum wird also in der Begrifflichkeit auf das Mobile abgehoben?

Für mich ist das Zentrale am mobilen Lernen, die Allgegenwart des Internets. Warum sollte diese Möglichkeit um die Quizzes und einengende Lernplattformen verkürzt werden? Mobiles Lernen könnte die Unterscheidung in Lehren und Lernen aufheben. Die Lernenden könnten in Gruppen miteinander arbeiten. Das digitale Gerät stellt ihnen Sachinformationen bereit, der Pädagoge kann sich wieder um seine eigentliche Aufgabe kümmern, den Prozess zu moderieren, die richtigen Fragen zu stellen, den Lernprozess aktivierende zu gestalten, die Gruppe zu motivieren weiterzumachen. Die digitalen Geräte können die Informationen geben. Die Zusammenhänge müssen weiterhin erarbeitet werden, da helfen auch die Smartphones nicht weiter, auch wenn das Präfix „Smart“ das vermuten lässt.

Jenseits aller Definitionen und Wortneuschöpfungen ist es viel spannender darüber nachzudenken, wie konkrete Szenarien für das Lernen jenseits des Klassenraums aussehen könnten. Das sieht Clark Quinn, der von Jochen Robbes zitiert wurde auch nicht ganz anders, wenn er schreibt:

„Yes, you can get into elegant definitions (I like how Judy Brown mentions size, familiarity, and omnipresence), but really it’s about how it’s used. I advocate not thinking about courses on a phone, but instead about augmenting formal learning and augmenting performance.“ (Quelle)

Es gibt viel zu wenig Anwendungsbeispiele für das mobile Lernen. MoLeap, eine Projektdatenbank zum mobilen Lernen, möchte solche Anwendungen sammeln, ist dabei aber im Moment recht unerfolgreich. Vielleicht ist die Datenbank symptomatisch für den mobile Learning Hype. Nach den ersten 3 Jahren Smartphoneerfahrung bin ich der Meinung, dass das allgegenwärtige Google nur eine untergeordnete Rolle in meinem mobilen Leben gespielt hat. Es war eher Twitter, Google Maps und die geocaching App mit der ich persönlich Lernerlebnisse hatte. Vielleicht mal etwas konkreter:

1. Barcelona und Google Maps

Ich musste vor einigen Wochen für einen Vortrag zu educaching nach Barcelona. Dort wollte ich mir natürlich auch ein wenig die Stadt anschauen. Also habe ich die POI (Points of Intrest) in meiner unmittelbaren Umgebung in einer Google Maps gespeichert und habe die Zeit abends genutzt, mit Hilfe meines Handys die Punkte um meine Schlafstätte zu erkunden.


Barcelona auf einer größeren Karte anzeigen

2. Twitter auf Tagungen

Bei den meisten Kongressen,die ich in den letzten 3 Jahren besucht habe, war Twitter nicht mehr wegzudenken. Es waren die Gedanken der Anderen zu den Vorträgen, die mich haben weiterdenken lassen und es waren die Replies auf meine eigenen Sessions, aus denen weitergehende Kooperationen hervorgegangen sind.

3. Geocaching

Mal was anderes tun und denken. Nicht nur immer über das Lernen, den Leitmedienwechsel oder Netzpolitisches denken, schreiben oder lesen. Die Beschäftigung mit der Umgebung und der häufig hoch kreative Umgang mit der Darbietung mir vollkommen unbekannter Informationen ist die Faszination, die ich mit Geocaching verbinde. Deshalb habe ich dazu auch schon diverse eigene Versuche unternommen, „Lernangebote“ zu schaffen. Ich hatte schon vor einiger Zeit darüber geschrieben, welche tollen Ideen es zu lokal basierten Informationen gibt. Die meisten setzen einen mobilen Internetzugang voraus, vielleicht eine nicht unwichtige Grundvoraussetzung für diese Art zu lernen.

Ich möchte im Folgenden noch einige Anwendungen vorstellen, bei denen ich mir vorstellen könnte, dass sie in Lernsettings interessante Ergebnisse hervorbringen könnten:

  1. Geotrio: Hier findet man Stadttouren, die von Nutzern angelegt wurden. Man kann mit dem Tour Recorderauch selbst Touren anlegen, in dem man bei einem Stadtrundgang selbst O-Töne in sein Handy einspricht und mit den GPS Koordinaten des Ortes verknüpft. Ganz zum Schluss kann man die einzelnen Punkte zu einer Tour verbinden. Hier wäre auch vorstellbar, dass eine Seminargruppe in kleinere Gruppen aufgeteilt wird und einen Ort zugewiesen bekommt, den sie zum Seminarthema für die Seminargruppe gestalten sollen. Wer sagt denn, dass nur Stadtführungen möglich sind, warum sollte man nicht einen Ort mit einer interessant gestalteten Aufgabe für die Gruppe belegen? Wenn 4 Gruppen 4 Punkte bearbeiten, entsteht eine schöne ereignisreiche Tour, die sich die Teilnehmenden selbst gestaltet haben.
  2. Motion X GPS lite: Ermöglicht die Anreicherung der eigenen Umgebung mit Zusatzinformationen und das anschließende Auslesen der Informationen. Es handelt sich bei dieser App also um ein protokollierendes Werkzeug. Wenn eine Gruppe im Wald Baumbestände, Tiervorkommen u.ä. dokumentieren will, wäre Motion X ein interessantes Werkzeug. Man kann selbst kleine Audios einsprechen, es können sog. Waypoints, also Standorte gespeichert werden. Ausserdem wird der zurückgelegte Weg kartiert um in unwegsamen Gebieten eine Orientierung zu haben und wichtige Orte wiederfinden zu können. Es fördert das explorative Lernen und eine Orientierung im eigenen Lebensraum. Motion X stellt auch Informationen aus der Wikipedia zur Verfügung.
  3. Broadcastr: Verbindet Orte mit Audiodateien, die direkt mit der App gemacht werden können. Alle der Datenbank bekannten Audios werden auf einer Karte angezeigt. Nun kann jeder, als Gruppe oder als Einzelperson selbst virtuelle Nachrichten für andere hinterlassen. Eine sinnvolle Anwendung wäre, die Wlan-Zugänge an Cafes und Bahnhöfen per Broadcastr zu hinterlassen, wahrscheinlich gibt es aber noch viel sinnvollere Ideen, um die kleinen Audios in der Weltgeschichte zu hinterlassen.
  4. Paed-cache: Ähnlich dem educaching eine Methode, um eine digitale Schatzsuche in Lernprozesse zu integrieren. Hinter dem Link verbirgt sich ein Großteil der großartigen Arbeit, die Daniel Seitz in diesem Bereich leistet. Scrollen lohnt sich!
  5. Ebenso arbeiten Thilo und Oliver von geobound seit einigen Jahren in diesem Bereich und haben interessante Projekte umgesetzt, wie z.B. das Abenteuer Wasser

Wahrscheinlich habe ich zahlreiche interessante Praxisprojekte nicht genannt, weil ich gar nichts davon wußte. Ich würde mich freuen, wenn ihr in den Kommentaren kurz oder auch länger darauf hinweist.