Wlan

CC by 2.0 by FutUndBeidl (flickr)

Nicht nur die Kneipen in Berlin sind als öffentliche Räume von Abmahnungen im Falle offener Wlans betroffen, sondern auch Bildungsinstitutionen. Wie wichtig ein offenes Wlan für die Bildung ist, soll hier als kleines Plädoyer gegen den Abmahnwahn formuliert werden.

Mein Arbeitgeber ist ja bekanntlich das DGB Bildungswerk. Und das hat ein Tagungszentrum in Hattingen, in dem ich arbeite. Sobald die ersten Wlan Router für den Consumer zu haben waren, haben wir in Hattingen erste Feldversuche gemacht. Wir hatten immer offene Netze, um die Hürden und den Support des Netzes so gering wie möglich zu halten. In der Frühzeit war es relativ selten, dass die Teilnehmenden mit der eigenen Hardware auf das bereitgestellte Wlan zugreifen wollten.

Das Wlan war nach den Modemzeiten ein Befreiungsschlag für die pädagogische Integration digitaler Medien in die Bildung. Idealerweise sollte die Positionierung der Netzwerkdose im Raum keinen Einfluss auf die Bildungsarbeit nehmen. 2004 ist in Hattingen aus dieser Idee ein Raumkonzept geworden. Im neu gebauten Computer und Medienzentrum kam das Netz aus der Luft und der Strom aus der Decke. Damit stand der Integration digitaler Medien in den Bildungsprozess nichts mehr im Wege. Der Raum als 3. Pädagoge in der politischen Computer- und Medienbildung formte unsere Konzepte, in denen zunehmend Projektarbeit und damit Kolaboration zwischen den Teilnehmenden im Vordergrund stand. Learning by Doing war und ist das Konzept der politischen Medienbildung und die Grundlage waren die räumlichen Gegebenheiten.

Netzwerkdosen hätten uns diese pädagogische Freiheit niemals gegeben und so konnten Methoden entwickelt werden um Didaktik und Technik miteinander zu harmonisieren. Das Netz blieb offen, niemand hätte ernsthaft über etwas anderes nachgedacht. Wer ins Netz wollte, sollte nicht erst um einen Zugang bitten müssen, sondern qua seiner Anwesenheit im Tagungszentrum einen solchen nutzen können.

Dann wurde schleichend ein neues Zeitalter eingeläutet, in dem die Teilnehmenden mit eigenen Laptops in die Seminare kamen und somit innerhalb ihrer eigenen Infrastruktur lernen konnten. Das Computer und Medienteam in Hattingen hat diesen Meilenstein ohne Veränderung der Infrastruktur mitgehen können. Das Wlan-Netz wurde immer weiter ausgebaut und vor 4 Jahren wurden die Zimmer angeschlossen. Danach war das gesamte Gelände großflächig vernetzt. Wir konnten sogar draussen mit den Teilnehmenden arbeiten.

Vor 3 Jahren erreichte uns die erste Abmahnung wegen eines Urheberrechtsverstoßes, der über unser Wlan begangen wurde. Der Druck wuchs, das Wlan zu verschlüsseln und die Zugänge zu limitieren, also nur noch an diejenigen rauszugeben, die auch danach fragen. Das konnte aber abgewendet werden. Vor einem Jahr kamen in recht kurzer Zeit weitere Abmahnungen, weil einige unserer Gäste unerlaubterweise die Top 100 u.ä. über unser Wlan herunterluden. Mit jeder dieser Abmahnungen hat das DGB Bildungswerk einen Anwalt beauftragt, der die Verhandlungen übernommen hat. Es mußte über mögliche Konsequenzen nachgedacht werden.

Das Problem

Wir sind eine Art Provider, werden aber als solcher nicht behandelt, denn in Deutschland sind Provider nicht für die Urheberrechtsverstöße ihrer Kunden haftbar zu machen. Sonst hätte sich die Telekom schon längst aus diesem Geschäftsfeld zurückgezogen. In unserem Fall werden wir so behandelt, als hätte das DGB Tagungszentrum als Eigner des Internetzugangs die Straftat selbst begangen. Wir haben allerdings kaum eine Handhabe entsprechende Verstöße zu verhindern. Aus meiner Sicht gibt es nur 5 Möglichkeiten:

  1. Wlan absschalten
  2. Deep-Paket Inspection, Zuweisung einzelner IPs und Speicherung der Daten auf Vorrat.
  3. Offenes Wlan und Abmahnungen in Kauf nehmen.
  4. Einen Provider zwischenschalten
  5. Wlan verschlüsseln

Punkt 1 kann keine ernsthafte Alternative sein. Punkt 2 also die totale anlasslose Überwachung unserer Kunden widerspricht all dem, wofür die Gewerkschaften eintreten und ist vollkommen undenkbar in einem Haus, das Arbeitnehmer über Datenschutz und Möglichkeiten politischer Teilhabe aufklärt.

Lösung 3: Die Zeiten, in denen man ins Internet geht, dort für eine Stunde verbleibt und dann wieder rausgeht sind vorbei. Es wäre technisch ein Klaks, Internet immer einfach da zu haben, die Lösung heißt offenes Wlan. Für Bildungsinstitutionen bleibt abzuwägen, ob sie ihr Wlan versuchen so abzusichern, dass unerwünschte Downloads keine Chance haben oder ein Budget für Abmahnungen bereitstellen, dafür aber alle Geräte mit offenem Wlan versorgen.

Lösung 4 geht vielleicht noch in Hotels, obwohl der Zugang zum Netz dort auch häufig eine Zumutung ist, weil der eingegebene Code alle Stunde eine erneute Eingabe verlangt oder weil der Zugang durch den weiteren Provider unanständig teuer wird. Wer aber in der Bildungsarbeit vor allem viel Upstream benötigt, also eine synchrone Leitung, der wird mit solchen Anbietern nicht weit kommen.

Zur Zeit versuchen wir es mit Lösung 5: Verschlüsselung des Wlans. Das löst natürlich kein einziges Problem, denn solange man die Zugangshürde überwunden hat, sind Urheberrechtsverstöße immer noch möglich. Die Teilnehmenden klagen jetzt, dass sie nicht ins Netz kommen, die Accesspoints stürzen ständig ab, der Supportaufwand hat sich massiv erhöht und er verschlingt einige 100 Euro für die entsprechende Umstellung und Wartung der Infrastruktur.

Was das für unsere Bildungsarbeit bedeutet kann sich kaum einer vorstellen. Die oben beschriebene kreative Umgebung ist durch ihre neue Zugriffshürde behindert. Die Infrastruktur erinnert an die Nullerjahre, wo es vom Wetter abhing, ob es Netz gab oder nicht. Fatal für Seminare, die sich mit dem Netz erlebnisorientiert auseinander setzen.

Wir wollen keinen Nährboden für illegale Downloads schaffen, aber in diesem Fall muss man sagen, dass offene Wlans vor allem den Bildungsprozess unterstützen. Unsere Arbeit leidet zur Zeit stark unter dem Abmahnwahn und der Gesetzgeber muss hier schnellstens handeln. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt ja vor.  Wahrscheinlich sind wir auch nicht die einzige Einrichtung, die damit zu kämpfen hat. Hier Rufe können gerne unten in die Kommentare geschrieben werden.

Wenn wir unsere Smartphones nach einer Bahnverbindung befragen oder unsere Mails mobil beantworten, werden wir direkt ohne weitere merkbare Authentifizierung ins Internet gelassen, in unserem Bildungshaus machen wir diesen Unterschied, und zwar nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor weiteren Abmahnungen. Geht’s noch?