Am 22. Juni 2010 hat das Netzwerk politische Bildung Bayern zum 3. Forum mit dem Thema „Prepared to share? – Herausforderungen für die politische Bildung“ eingeladen. Thomas Bernhardt hatte mich auf die Veranstaltung per Twitter aufmerksam gemacht und weil es mit dem Themensprektrum der pb21 eng verbunden ist, habe ich mir die Veranstaltung etwas genauer angeschaut, insbesondere eine Methode, die auf der Tagung ausprobiert wurde. Sie wird auf der Webseite OpenWriTable genannt und wie folgt beschrieben (Auszug):
…das Schreiben reglementiert nicht das Sprechen, sondern umgekehrt, das Geschriebene ist im besten Fall Essenz des Gesprochenen. Zu diesem Zweck sind die Tische, an denen die Diskussionsgruppen sich versammeln, mit Papier bespannt und mit ausreichend Schreib- bzw. Zeichenmaterial bestückt, so dass jeder der Teilnehmer die Gelegenheit hat, sich entsprechend der Methode zu beteiligen, ohne das der Gesprächsfluss zu sehr ins Stocken gerät oder gar unterbrochen wird. Die Teilnehmer sind dabei selbst gefragt – und werden für kompetent erachtet – ihre eigenen Ansichten und Anmerkungen zu Papier zu bringen. Dies ist sowohl während als sogar auch noch nach (!) der Gruppenphase möglich – außerdem können jederzeit Ergänzungen vorgenommen werden, wodurch das Protokollieren der Ergebnisse ein ebenso dynamischer Vorgang wird, wie das Wechselspiel von stetig wechselnden Diskussionen und Diskussionspartnern der bei Open Space entstehenden Kleingruppen. Die so entstandenen „Tischprotokolle“ können zum Abschluss der Veranstaltung zugespitzt und zum Gegenstand der weiterführenden Diskussion werden (auch über den zeitlichen Rahmen der Veranstaltung hinaus).
Die Methode an sich klingt vielversprechend und ich werde sie in jedem Fall auch ausprobieren, doch was mir noch fehlt ist die Zusammenfügung der Einzelprotokolle zu einem Ganzen. Erst dadurch kommt es doch zu einer Verhandlung des Verstandenen und damit zur Veränderungen von Konstrukten, denn die sind ja letztendlich das Ergebnis von Kommunikation. Links ist das OpenWriTable-Ergebnis der Frage „Braucht’s polit. Bildner im Web 2.0 noch?“ zu sehen. Ich glaube bis dahin ist die Methode mit einem ausformulierten Brainstorming vergleichbar. Solange jeder individuell an seinem Protokoll arbeitet, entsteht dadurch, dass sie auf ein Papier geschrieben werden nicht ein Ganzes. Entscheidend ist also die Konklusion zu einem gemeinsamen Papier. Diese Konklusion macht Diskussion erforderlich, die für die politische Bildung neben dem Einsatz digitaler Medien unerlässlich ist.
Ich wollte immer mal was zu postmoderner Beliebigkeit schreiben, da es den auf Diskussion angelegten Lernprozess stark berührt. In unseren Seminaren werden Diskussionen häufig damit beendet, dass es „am Ende jeder selber wissen muss“. Das stimmt natürlich keineswegs in einer Gesellschaft, in der sich jeder nur um sich selbst kümmert, will ich nicht leben. Beim Lernen ist es aber leider genau so. Nach einer Gruppenarbeit sollte das Ergebnis der Meinung aller entsprechen und nicht aus einer Addition aus sich widersprechenden Meinungen bestehen. Gerade im Bereich der politischen Bildung halte ich diesen Austausch bis zu einem gemeinsamen Nenner für unerlässlich, damit aus der Politik- und Bürgerverdrossenheit nicht noch eine Mitmenschenverdrossenheit resultiert:
Update, 25.06.2010 23:00 Uhr:
Thomas Bernhardt, der selbst als Referent vor Ort war, hat sich meiner Einschätzung zu Open WriTable angeschlossen. Er hat darüber hinaus seinen Vortrag und sein Fazit in seinem Blog veröffentlicht.
Die Tischprotokolle habe ich selbst in meinen (Erinnerungskultur-) Seminaren schon eingesetzt. Übrigens machen sie sich auch gut in einem Restaurant als Arbeitsessen! Die TN fanden das besonders gut.
Am besten ging es, wenn nicht mehr als 4 in einer Tischgruppe waren. (in größeren Gruppen sinkt der Beiteiligungsgrad wieder.)In der Mitte hatten die TN ihre (zuerst am eigenen Platz individuell) verschrifteten Perspektiven zu einem Gemeinsamen zusammengetragen. Und wie immer: Was in einer Gruppe erarbeitet wird, muss auch wieder ins Plenum getragen werden. Dafür kann anschließend ein(e) Sprecher/in aus jeder Gruppe die gemeinsam geteilten Aspekte des Gruppenergebnisses im Plenum vortragen – ergänzt durch abweichende Einzelperspektiven.
Die Tischprotokolle habe ich selbst in meinen (Erinnerungskultur-) Seminaren schon eingesetzt. Übrigens machen sie sich auch gut in einem Restaurant als Arbeitsessen! Die TN fanden das besonders gut.
Am besten ging es, wenn nicht mehr als 4 in einer Tischgruppe waren. (in größeren Gruppen sinkt der Beiteiligungsgrad wieder.)In der Mitte hatten die TN ihre (zuerst am eigenen Platz individuell) verschrifteten Perspektiven zu einem Gemeinsamen zusammengetragen. Und wie immer: Was in einer Gruppe erarbeitet wird, muss auch wieder ins Plenum getragen werden. Dafür kann anschließend ein(e) Sprecher/in aus jeder Gruppe die gemeinsam geteilten Aspekte des Gruppenergebnisses im Plenum vortragen – ergänzt durch abweichende Einzelperspektiven.
Das klingt gut. Auch die Ergebnisse in der Mitte zusammenzufassen. Ist dabei nicht das Papier im Weg, das keine Verbesserungen oder Umformulierungen zuläßt? Wie gesagt, die Methode finde ich großartig, wenn eine Zusammenfassung integriert ist.
Das klingt gut. Auch die Ergebnisse in der Mitte zusammenzufassen. Ist dabei nicht das Papier im Weg, das keine Verbesserungen oder Umformulierungen zuläßt? Wie gesagt, die Methode finde ich großartig, wenn eine Zusammenfassung integriert ist.
[…] hat. Vielmehr kann jeder seine Gedanken direkt auf den Tisch schreiben. Guido Brombach hat bereits seine Gedanken zum OpenWriTable (obwohl er ihn nur via Twitter verfolgte!) beschrieben. Seinem Einwand bzgl. einer fehlenden […]
Einige Anmerkungen hätten wir zu deiner Einschätzung des Open WriTable:
Du betonst die Notwendigkeit einer Konklusion zu einem gemeinsamen Papier um auch ein Ergebnis zu erlangen, dass der Meinung aller entspricht. Die Funktion der Tischprotokolle ist die Repräsentation des Diskussionsverlaufs der einzelnen Arbeitsgruppen, die sich ja zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Fragestellung versammeln. Wenn die Diskussion kein Ergebnis hat, wenn sie mehrere u.U. kontroverse Aspekte hervorbringt oder einfach darauf abzielt unterschiedliche Ideen oder Denkansätze in Bezug auf eine Fragestellung zu generieren, dann wird und soll es keine gemeinsame Konklusion geben. Wenn die Teilnehmer das Protokoll im Sinn eines Brainstormings nutzen (weil z.B. die Fragestellung der Gruppe so war), dann
ist ihnen das freigestellt.
Sicher eignet sich diese Methode nicht für alle Situationen. Auch möglich ist, dass Themen nicht scharf (d.h. nicht lösungsorientiert) genug vorgebracht werden
oder es schlicht und einfach inhärent nicht sind.
Methodisch ist nicht angedacht gewesen, dass jeder „individuell an seinem“ Protokoll arbeitet, da die Teilnehmer ja angehalten sind, ihren Gesprächsverlauf, ihre Argumente, Gedanken und Schlussfolgerungen auf einem gemeinsamen Papier (eben dem Tischprotokoll) festzuhalten. Liegt da vielleicht ein Missverständnis vor?
Eine gemeinsame Konklusion aller Teilnehmer aus allen
Gruppen war in diesem Rahmen kaum möglich, da die bewußt gewählte Breite des übergreifenden Themas dies nicht hergibt. Wir wollten mit dem gewählten Vorgehen bewusst einen Diskussions-/ Reflexionsprozess anstossen, nicht abschließen. Eine anschließend gemeinsame Phase der (schriftlichen) Kommentierung und/oder Priorisierung (d.h. Beurteilung der Wichtigkeit) der Ergebnisse der Gruppen, könnte hierbei nochmals Anstoss von Außen geben.
Eine diskursive Konsensbildung ist in der Methode aufgrund ihres theoretischen Hintergrundes und auch ihrer Funktion als Großgruppeninterventionsmethode nicht angelegt. Wir können uns aber durchaus die Erweiterung der Methode auf eine weitere Phase gut vorstellen, so dass ein Einigungsprozess auf wichtige Punkte vollzogen werden kann.
Auch eine Priorisierung kann z.B. in Anlehnung an eine demokratische Abstimmung durch das Anbringen von
Klebepunkten an den Diskussionsprotokollen erfolgen, nach dem Motto: Welche Ergebnisse sind nach Meinung der Mehrheit der Anwesenden besonders wichtig oder sollten besonders dringlich bearbeitet werden. Anschließend könnten in neuen/den alten Arbeitsgruppen und/oder mit dem gesamten Plenum eine Phase der zielgerichteten Meinungsbildung gewählt werden.
Da wir die Methode zum ersten Mal ausprobiert haben, existieren da aber noch keine Erfahrungswerte. Wenn du oder jemand anderes, den Open WriTable mal ausprobierst, erweiterst oder umwandelst, freuen wir uns auf einen Erfahrungsaustausch!
Im Übrigen freuen wir uns, dass die Methode diskutiert wird!
Viele Grüße aus Augsburg!
Einige Anmerkungen hätten wir zu deiner Einschätzung des Open WriTable:
Du betonst die Notwendigkeit einer Konklusion zu einem gemeinsamen Papier um auch ein Ergebnis zu erlangen, dass der Meinung aller entspricht. Die Funktion der Tischprotokolle ist die Repräsentation des Diskussionsverlaufs der einzelnen Arbeitsgruppen, die sich ja zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Fragestellung versammeln. Wenn die Diskussion kein Ergebnis hat, wenn sie mehrere u.U. kontroverse Aspekte hervorbringt oder einfach darauf abzielt unterschiedliche Ideen oder Denkansätze in Bezug auf eine Fragestellung zu generieren, dann wird und soll es keine gemeinsame Konklusion geben. Wenn die Teilnehmer das Protokoll im Sinn eines Brainstormings nutzen (weil z.B. die Fragestellung der Gruppe so war), dann
ist ihnen das freigestellt.
Sicher eignet sich diese Methode nicht für alle Situationen. Auch möglich ist, dass Themen nicht scharf (d.h. nicht lösungsorientiert) genug vorgebracht werden
oder es schlicht und einfach inhärent nicht sind.
Methodisch ist nicht angedacht gewesen, dass jeder „individuell an seinem“ Protokoll arbeitet, da die Teilnehmer ja angehalten sind, ihren Gesprächsverlauf, ihre Argumente, Gedanken und Schlussfolgerungen auf einem gemeinsamen Papier (eben dem Tischprotokoll) festzuhalten. Liegt da vielleicht ein Missverständnis vor?
Eine gemeinsame Konklusion aller Teilnehmer aus allen
Gruppen war in diesem Rahmen kaum möglich, da die bewußt gewählte Breite des übergreifenden Themas dies nicht hergibt. Wir wollten mit dem gewählten Vorgehen bewusst einen Diskussions-/ Reflexionsprozess anstossen, nicht abschließen. Eine anschließend gemeinsame Phase der (schriftlichen) Kommentierung und/oder Priorisierung (d.h. Beurteilung der Wichtigkeit) der Ergebnisse der Gruppen, könnte hierbei nochmals Anstoss von Außen geben.
Eine diskursive Konsensbildung ist in der Methode aufgrund ihres theoretischen Hintergrundes und auch ihrer Funktion als Großgruppeninterventionsmethode nicht angelegt. Wir können uns aber durchaus die Erweiterung der Methode auf eine weitere Phase gut vorstellen, so dass ein Einigungsprozess auf wichtige Punkte vollzogen werden kann.
Auch eine Priorisierung kann z.B. in Anlehnung an eine demokratische Abstimmung durch das Anbringen von
Klebepunkten an den Diskussionsprotokollen erfolgen, nach dem Motto: Welche Ergebnisse sind nach Meinung der Mehrheit der Anwesenden besonders wichtig oder sollten besonders dringlich bearbeitet werden. Anschließend könnten in neuen/den alten Arbeitsgruppen und/oder mit dem gesamten Plenum eine Phase der zielgerichteten Meinungsbildung gewählt werden.
Da wir die Methode zum ersten Mal ausprobiert haben, existieren da aber noch keine Erfahrungswerte. Wenn du oder jemand anderes, den Open WriTable mal ausprobierst, erweiterst oder umwandelst, freuen wir uns auf einen Erfahrungsaustausch!
Im Übrigen freuen wir uns, dass die Methode diskutiert wird!
Viele Grüße aus Augsburg!