Vor kurzem habe ich das CRE181 mit dem Künstler Aram Bartholl gehört. Er beschäftigt sich in seinen Projekten mit der Frage, was passiert, wenn digitale Kultur in das analoge Leben tritt.
Dabei wurde mir klar, dass wir gewohnt sind vom analogen ins digitale zu übertragen. Textverarbeitungen armen das Blatt Papier nach. Der Desktop unseren Schreibtisch. Die Sortierung unserer digitalen Dokumente in digitale Ordner folgt der Logik unseres Aktenschranks. Wie haben einen großen Teil unseres analogen Lebens digital abgebildet. Wir haben uns daran gewöhnt, das die Metaphern der digitalen Welt unserer analogen entsprechen.
Das Digitale hat sich jedoch verselbstständigt und hat Metaphern und Dinge hervorgebracht, die in der analogen Welt keine Entsprechung mehr finden. Dazu gehören zum Beispiel die Tropfen bei googlemaps. Wie selbstverständlich gehen wir mit dieser Ikonographie um. Aber sie interläßt merkwürdige Brüche im analogn Alltag, wenn wir ihnen begegnen. Der USB-Stick in der Mauer oder das Captcha zwischen Grafities. Es fällt kaum auf und trotzdem merken wir beim 2. Hinsehen, dass etwas nicht stimmt.
Die Verschmelzung von analoger und digitaler Kultur ist verpöhnt. Wo kommen wir denn dahin, wenn das eine nicht mehr scharf von dem anderen zu trennen ist? Wie weit wir allerdings noch von der Verschmelzung entfernt sind, merke ich als Heavy User bei der Begegnung von digitaler Kultur wo sie bisher nicht hingehörte, nämlich in meiner analogen Welt. Es verwirrt mich und ich finde, dass es nicht in diese Welt gehört, dass es stört. In gewisser Weise sind die QR Codes z.B. der Versuch, Links in die digitale Welt zu legen, aber es ist nur eine Krücke, weil der Hypertext im Analogen nicht dargestellt werden kann.
Der Shift, der dem Bildungssystem ebenso wie unserer Gesellschaft bevorsteht, transformiert auch unser Verhältnis von analog zu digital. Erst wenn es uns gelingt aus dem Digitalen ins Analoge abzuleiten, uns also von den bisherigen analogen Rahmenbedingungen freimachen können, wird sich der digitale Raum auch als Ermöglichungsraum darstellen lassen, bis dahin bleibt das Digitale ein Erfüllungsgehilfe des Analogen. Ein Werkzeug, um das analoge Leben zu meistern.
Das Digitale ins Analoge holen klingt zwar ganz nett und bietet sich für einen Künstler an, aber bei dem Beispiel mit dem GMaps-Icon habe ich aber kurz die Stirn gerunzelt. Es ist ja hier nicht so, als hätte Google die aus dem Nichts erschaffen, sondern sie bauen hier bereits auf der (analogen) Stecknadel bzw Pin auf. Es scheint hier vielleicht zwei Stufen zu geben: einmal das Zurückholen des digitalen Designs, bei QR-Codes ist es dann eher die Verknüpfung zwischen analoger und digitaler Welt, die das ganze reizvoll macht. Aber meinst Du wirklich, dass es eine sinnvolle Erweiterung der analogen Welt gibt, indem ich etwas aus der digitalen Welt abbilde?
Ohne Frage fetzt das in der Kunst und trifft sehr stark den Zeitgeist, aber ist es eigentlich mehr als nur Design oder den erleichterten Zugang zu digitalen Informationen? Oder anders gefragt: ist das ein interessantes und bisher vielleicht zu wenig beachtetes (Forschungs-) Thema, oder eher ein tolles Kunst- und Designkonzept? Ich bin mir nicht sicher, schließe aber nichts aus.
Bisher war es so, dass sich das Digitale an der Schnittstelle zwischen Mensch-Maschine (Human-Interfaces) manifestierte. Also das Digitale wirkte im analogen Raum am Bildschirm, an der Tastatur usw. Hier ist auch das gute alte Buch Endo-Management von Artur P. Schmidt sehr lesenswert (zwar etwas älter, aber aktueller den je und anspruchsvoll).
Durch Augmented Reality, dem Allgegenwärtigkeits-Internet (Mobile Internet/Smartphones) dringt das Digitale tatsächlich mehr denn je in unsere analoge Welt und zwar mit Anwendungen und konkreten Mehrwerten, die zuvor so nicht möglich waren. Ich denke da an ortsbasierte Diensten wie Foursquare oder aber auch an die digitalen Navigations-Anwendungen, die uns helfen, uns im analogen Raum zu orientieren.
Die Grenzen werden zunehmend verschwinden und die ehemals „scharfen Interface-Grenzen“ zwischen analoger und digitaler Welt werden verschwimmen, beispielsweise durch den Echtzeitavatar, der durch einen 3D-Scan unseres Körpers in die digitale Welt gebeamt wird und vice versa. Insbesondere das Wohnzimmer-Hologramm wird spannend. Ich denke da an die virtuelle Popikone Hatsune Miku.
Das Verschwimmen – oder die Auflösung – der Interface-Grenzen, wird uns dabei vor neuartige Herausforderungen stellen, insbesondere was den Realitätsbegriff betrifft. Das wird nicht immer einfach werden und nicht immer nur mir Vorteilen verbunden sein, … wie das eben mal so ist im Leben 😉
@anja: Es geht mir um die Gradwanderung und die Verschmelzung zwischen digital und analog. Das fällt uns meist schwer und wir versuchen das Analoge vom Digitalen abzugrenzen. Was Aram macht ist mehr als ein Gedankenspiel. Es erzeugt eine Wirkung auf uns. Ich stelle mir vor, dass die Wirkung noch größer ist, wenn man nicht Betrachter, sondern Produzent ist. Es schafft bei mir schon in der Beobachtung solcher Objekte ein anderes Verhältnis zwischen Analog und Digital, das nicht mehr davon geprägt ist, das eine vom anderen abzugrenzen.
[…] Welt, in der sich analog und digital voneinander trennen lassen. Die Welt der ACTA-Proteste heißt Anatalien. Hier sind beide Welten miteinander verschmolzen. Es geht nicht um einen Kompromis aus beiden […]