Zur Vorgeschichte: Prof. Niesyto, Medienpädagoge an der Uni Ludwigsburg hatte vor einiger Zeit ein medienpädagogisches Manifest verfasst. Es war aber wohl weniger das Manifest selbst als vielmehr der Titel, der einen großen Zuruf hervorrief und die Medienpädagoginnen in Deutschland mobilisierte: „Keine Bildung ohne Medien“. Mich hat das Motto auch gepackt. Ich deutete es als eine Abkehr von alten Zöpfen und als eine adäquate pädagogische Antwort auf die geänderten Aggregatzustände im digitalen Zeitalter.
Es wird aber beim Lesen des Manifestes schnell klar, dass es weniger um eine Verankerung der Medien als vielmehr um eine Verankerung der Medienpädagogik in den verschiedenen Bildungsbereichen geht:
„In dieser Situation ist es geboten, Medienpädagogik dauerhaft in allen Bildungsbereichen zu verankern.“(medienpädagogisches Manifest)
Und so hat der gesamte Kongress die Heilsversprechen seines Mottos nicht eingelöst. Alle Referenten hatten die Forderung nach einem Unterrichtsfach Medienkompetenz im Kopf und weniger die Durchdringung von Bildungsprozessen durch Medien. Die damit einhergehende entnüchternde Perturbation ist bei mir schnell mit Kongressbeschimpfung kompensiert worden. Dabei darf es nicht bleiben, deshalb haben wir die unten angeführte Gegenveranstaltung organisiert.
Ich schreibe den Blogpost natürlich vor allem in der Hoffnung, dass ihn auch die Teilnehmenden lesen, die keine #kmobs sind und nicht an der Gegenveranstaltung teilgenommen haben.
In die Konzeption des Kongresses ist man viel zu schnell von einem Konsens des Manifestes ausgegangen, statt darüber zu streiten, was sich an der Profession des Medienpädagogen im digitlen Zeitalter ändern muss. Der Kongress wollte politische Forderungen formulieren, das ist vor diesem Hintergrund schier unmöglich gewesen.
Medien werden von Medienpädagogen (und ähnlich wie bei Lehrern darf man auch hier nicht alle in einen Topf werfen, es gibt auch hier schwarze unter den weißen Schafen) immer noch als Werkzeuge und nicht als ein den Alltag vollends durchdringendes Medium begriffen (nicht nur den tollen Artikel zum Medienbegriff von @lisarosa lesen, sondern auch Rückrim lesen!). Um den Leitmedienwechsel aber vollziehen zu können, müssen die Medienpädagogen die digitalen Medien adaptieren und sich nicht vor ihnen in Sicherheit bringen.
Medienpädagogen müssen die emanzipatorischen Potentiale der Medien aufspüren um sich dialogisch einem neuen Medienbegriff aneignen zu können.
Es war deshalb auch richtig am 2. Tag des Kongresses eine Gegenveranstaltung zu organisieren um mit Ähnlichdenkenden den Dialog mit den Veranstaltern zu suchen. Dort haben wir auch eine ganze Reihe an Forderungen zusammengetragen, die ich hier nicht weiter vertiefen will. Der Zuspruch für eine bundesweite Mitarbeit war groß, einer der Eigentschaften des Aggregatzustandes digitaler Medien ist nämlich everywhere, embedded und realtime. Und das sollte man sich sooft es geht zu nutze machen. Medien erweitern so auch unsere Realität ganz ohne Drogen :-).
Eine inhaltliche Korrektur – for the record und weil es wichtig ist: „Alle Referenten hatten die Forderung nach einem Unterrichtsfach Medienkompetenz im Kopf“ ist keineswegs richtig. Im Gegenteil vertreten die meisten KBoMler die Position, dass es um mediale Lernkulturen auf der ganzen Bandbreite geht. Mit einem Schulfach ist das gerade nicht zu machen, denn dann hat man ja wieder (wie früher die Informatiklehre) „Zuständige“, und die Organisation entlastet sich vom Innovationsdruck und grundlegenden Umstellungen.
Daher erheben wir u.a. die Forderung, Medialität ernstzunehmen und eine Mediengrundbildung in allen pädagogischen Ausbildungsgängen zu verankern, um auf diese Weise Innovation in Bildungsorganisationen hinzubekommen (nämlich von der Basis der PädagogInnen ausgehend und nicht von oben verordnet); darüber hinaus, mediale Lernkulturen an Hochschulen zu verankern.
Lieber Guido Brombach,
ich weiß gar nicht genau, ob ich als Mitorganisatorin des Kongresses „kbom“ mich hier zu Wort melden darf. Schließlich soll dieses Forum ja unsere eineinhalbjährige Arbeit kritisieren in Form einer „Abrechnung“. Unschöner Begriff für mein Empfinden. Eine Nachlese und auch Kritik an dem Kongress finde ich vollkommen berechtigt, allerdings kann ich mit der Form – ehrlich gesagt – wenig anfangen. Gleichwohl möchte ich ein paar Dinge hier anmerken:
* Dieser Kongress wurde nicht nur von Horst Niesyto sondern auch vielen anderen (den Erstunterzeichnern des Manifestes) und den Organisatoren/innen der AGs (!!!) in den vergangenen eineinhalb Jahren konzeptioniert, d.h. inhaltlich und strukturell vorbereitet.
* Die Konzeption und Programmplanung war seit Monaten bekannt, wurde diskutiert (unter anderem über die mixxt-Plattform) und mit den aktiv Teilnehmenden abgestimmt.
* Wenn man versucht, politisch Verantwortliche zu so einem Kongress zu bewegen, muss man immer Kompromisse machen. Das war auch für uns mit – ja herben – Enttäuschungen verbunden. Nichtsdestotrotz wurde der Dialog gesucht und auch auf den Weg gebracht. Step by step eben …
* Dass es innerhalb der medienpädagogischen Community disparate Haltungen und Vorstellungen gibt, macht die Szene aus und tut ihr gut. Allerdings können politische Akteure mit dieser Heterogenität wenig anfangen, deshalb muss man sich immer auch von bestimmten Ansprüchen und Zielsetzungen verabschieden und Kompromisse eingehen. Das ist sehr sehr bedauerlich, entspricht aber den diskurspolitischen Gepflogenheiten.
* Meinem Eindruck nach ging es weniger auf dem Kongress um die Einführung eines Faches Medien(kompetenz)bildung in Schulen, sondern es ging darum, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer ganzheitlichen und nachhaltigen Bildung mit Medien – d.h. unter anderem (!) um vielfältige Wissens- und Kompetenzaneignungsprozesse, aber auch um vielfältige Formen der Medien(mit)gestaltung und Medienproduktion, sowie um aussichtsreiche sozial-kommunikative Partzipation – zu schaffen. Diese Prozesse und Möglichkeiten von Bildung beschränken sich nicht (!) auf bestimmte Medientechnologien, Medienprodukte und Praktiken. Das wäre auch insofern contraproduktiv, als dass wir Technologie- und Produktentwicklungen/-akzeptanz/-nutzungsweisen nicht vorhersehen können. Sondern es geht aus meiner Sicht um die Ausbildung sozial-kommunikativer Grundkompetenzen und einer Werteethik, die es erlaubt, mit jeglichen medialen Kommunikationsformen (inkl. Techniken) zurecht zu kommen und diese chancenorientiert und „sozialverträglich“ zu nutzen.
* Es ging des Weiteren um Ressourcenbereitstellung, ja sicherlich auch um Gelder und um Institutionalisierung medienpädagogischer Arbeit. Das hat Sabine Eder auch gut zur Sprache gebracht (aber da waren Sie evtl. bei der Gegenveranstaltung). Und für solche Forderungen muss man sich nicht schämen. Viele innovative Projektideen können mangels Geld nicht umgesetzt und viele erfolgreiche Projekte nicht verstetigt werden. Auch wird eben – wie auf dem Kongress erwähnt – in die Reformierung betreffender BA-Studiengänge und Lehramtsstudiengänge nicht ausreichend investiert. Auf diesen Missstand machen wir immer wieder aufmerksam, müssen wir auch, obwohl es mühsam ist. Der Kongress war dabei ein Forum, wobei es ja weitere Kanäle dafür gibt.
* Und noch eins: Dass das WLAN an der TU für Nicht-Uni-Mitglieder nicht funktionierte, war nicht vorhersehbar. Es ist aber vielleicht auch symptomatisch für unsere Bildungseinrichtungen. Nutzer von Eduram sind da priviligiert und können problemlos an allen Unis ins WLAN.
Soweit erstmal. Ich würde mich freuen, wenn hier jedenfalls keine Unkenrufe kommuniziert werden würden, sondern ein konstruktives, zielorientiertes weiteres Vorgehen verhandelt werden würde. Denn jetzt geht es darum, schrittweise die formulierten Forderungen des Kongresses gewinnbringend zu adressieren und umzusetzen – gern, aber nicht zwingend, kollaborativ mit der Initiative.
Dagmar Hoffmann (GMK-Bundesvorstand und Uniprofessorin in Siegen)
@Benjamin: „Alle“ ist immer sehr ausschließlich und nur geeignet für die Provokation. Insofern lasse ich mich gerne korrigieren. Wahrscheinlich gab es eine ganze Reihe an Referenten, die Medienpädagogik nicht als ein Fach als vielmehr eine in die Bildung eingebetteten Umgang mit Medien verstanden haben. Dennoch wird in dem von mir angeführten Zitat vom Bereich Medienpädagogik gesprochen und ich habs auch häufig auf dem Kongress gehört: „In der Lehrerausbildung muss es einen verpflichtenden Teil geben, der sich mit Medienpädagogik beschäftigt“.
@Dagmar Hoffmann: Alles was sie geschrieben haben würde ich unterschreiben, das Problem ist vielmehr, dass es auf dem Kongress nicht klar wurde.
Was ich mir wünsche und ich habe es ja auch schon im Blogpost angedeutet, dass ist, nicht davon auszugehen, dass es einen Konsens in der medienpädagogischen Zunft gibt, so zumindest verstehe ich ihren Appell zur Kommunikation der Unkenrufe. Mir ist wie ihnen auch an einer inhaltlichen Auseinandersetzung gelegen. Dazu hatte ich einen Aufschlag gemacht, in dem ich auf den Medienbegriff verwiesen habe.
Sie haben wesentlich ausführlicher ausgeholt und ich kann nur sagen in vielen Punkten gebe ich ihnen Recht. Dennoch werbe ich für eine Neupositionierung der Medienpädagogik, jenseits von politischen Forderungen für mehr Geld, was sicherlich auch ein sehr wichtiges Anliegen ist und hier nicht priorisierend zu verstehen ist.
Ich denke aber auch, wir brauchen eine Medienintegration jenseits einer Werteethik. Eine Medienintegration vergleichen mit einem Kugelschreiber. Digitale Medien müssen zu einem Kugelschreiber der Bildung werden. Sie gehören in den Lernprozess neben dem Beamer, dem Papier und dem Stift. Wahrscheinlich sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Ich meine nur dass in solchen Szenarien zwangläufig eine Wertevermittlung nicht stattfinden muss, auch wenn mir klar ist, dass sie ihren Platz braucht.
Zum Fach Medienkompetenz hatte ich im vorangegagenen Kommnatar schon Stellung bezogen.
Die Geschichte mit dem Wlan kommt nicht von mir und wird auch in diesem Blogpost nicht erwähnt. Das habe ich mir extra gespart, weil es für eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht hilfreich ist.
Ich danke ihnen, dass sie den Ball aufgenommen haben und würde mir wünschen die Auseinandersetzung dazu weiterführen zu können. Ob er zielgerichtet sein kann, so wie sie es sich wünschen, glaube ich nicht, weil das Ziel gar nicht klar ist.
wenn ich mal wieder die geschichte bemuehen darf:
der buchdruck als leitmedium der moderne hat nicht eine besondere literacy-paedagogik benoetigt und hervorgerufen, sondern ueberhaupt eine neue paedagogik: naemlich die moderne didaktik des unterrichtens in einer allgemeinbildenden pflichtschule. das ist , was wir heute noch – allerdings jetzt anachronistisch- haben. das neue aktuelle digitale leitmedium erfordert ein neues lernen, eine neue literacy und ein neues bildungssystem. diese anforderung kann nicht mit einer „medienpaedagogik“ verstanden als zusaetzliche fachdidaktik additiv z. b zur musikpaedagogik, mathematikdidaktik, fremdsprachendidaktik usw erfuellt werden, sondern muss – analog zur revolutionaeren „erfindung“ der schule der moderne – eine rekonstruktion des bildungssystems, des verstaendnisses vom lernen, vom wissen, von paedagogik usw. generell sein, die eine adaequate antwort auf diesen neuen leitmedienwechsel darstellt. „medienpaedagogik“ ist also an sich eine zu kurz greifende antwort, in welcher einzelnen variante auch immer.
ich gehöre zu den den leuten von #kmob11. anders als hier dargestellt, sah ich dieses spontan-barcamp nicht als gegenveranstaltung zu #kbom11 sondern als ein versuch das ziel des kongressen, nämlich die konkrete, politische verankerung des manifestes mit den mir zu verfügung stehenden instrumentarien (eidg) voran zu treiben. ja, ich hätte mir dieses auf dem kongress gewünscht und es ehrlich gesagt auch erwartet. da dies aber nicht möglich war und die konkreten partizipationsformen in der konzeptionierung sehr gering waren, habe ich an einem vormittag eine alternativform gewählt – für mich eine ergänzung, keine gegenveranstaltung zu #kbom11.
Hallo Guido,
zunächst: Ich finde es gut, dass du die Kommentarfunktion geöffnet hast. Als ich die Tweets zu deinem Beitrag gelesen hatte und dann deinen Beitrag selbst, war ich aber überrascht, dass zunächst gerade die „dialogischen“ Möglichkeiten des Blogs nicht möglich waren. Dass das nicht beabsichtigt war, konnte ich nicht erkennen.
Nachdem ich zwischenzeitlich offline war und jetzt erst wieder Zeit habe mich zu melden, stelle ich fest, dass von anderen bereits vieles angesprochen und auch von dir kommentiert wurde, was ich los werden wollte.
Auch ich war über das Wort „Abrechnung“ gestolpert, hatte nicht den Eindruck, dass „alle“ ein Schulfach Medienkompetenz einführen wollten und dass die Initiative kmob nur als Gegenveranstaltung zu sehen ist bzw. gesehen wurde. Vielmehr hatte ich die Wahrnehmung, dass der Vorstoß, die Forderungen für die Enquete vorzuformulieren, begrüßt wurde und wird.
Dass es auch Kritikpunkte an der Planung und Konzeption des Kongresses gibt, ist da etwas anderes. Die Partizipationsmöglichkeiten bei den Dialogforen am zweiten Tag waren begrenzt, angesichts der Infrastrukturprobleme wurde deutlich, dass Medien (über die Tafel und das Mikrofon hinaus) als Bestandteil der Lernkultur in Bildungsinstitutionen noch nicht selbstverständlich sind, etc.
Mein Kurzfazit ist angesichts dessen aber, dass der Kongress zu kurz war. Die Arbeitsgruppen, wenngleich schon lange vorbereitet, hatten ja gerade erst angefangen in der über das Vorbereitungsteam erweiterten Runde gemeinsam zu arbeiten und es war vielleicht zu wenig Raum, zu klären, wie es jetzt weitergeht. Denn deutlich wurde (und so wurde es ja auch formuliert), dass es nicht ausreichend war, Forderungen in den Dialogrunden einzubringen. Da sind wir gefordert weiter zu arbeiten. Und für diese Energie und Motivation, die in den AGs enstanden ist, gab es auf dem Kongress keinen Kanal.
kmob hat sich mit einem guten Beispiel für die Selbstorganisations- und Partizipationsmöglichkeiten von digital-vernetzten Medien einen Raum geschaffen, das zu tun. Und ich finde es ermutigend, dass ich in den bereits geschriebenen Kommentaren abzeichnet, dass jetzt weiter darüber nachgedacht wird, wie wir dies machen können und nicht nur abgerechnet wird.
Vielleicht noch zum Verständnis: Ich war nicht direkt an der Vorbereitung des Kongresses beteiligt und „verteidige“ nicht deshalb. Vielmehr sehe ich wie Benjamin Jörissen einen großen Schritt darin, dass dieser gemeinsame Kongress stattfand.
Viele Grüße
Niels
Jede pädagogik vermittelt, sie benutzt medien im sinne von vermittlungsmitteln.
Es gibt insofern keine pädagogik ohne medien. Jede pädagogik ist medienpädagogik. Die konzentration auf bestimmte medien prägt die möglichkeiten und grenzen der pädagogik. Es kann nicht alles auf dieselbe weise mit jedem medium vermittelt werden.
Davon zu unterscheiden ist die medialität der pädagogik selbst. Sie kommt zum ausdruck in der bestimmtheit der pädagogik durch ein historisches leitmedium. Dieses prägt form und inhalt, möglichkeiten und grenzen der pädagogik einer ganzen leitmedienaera und legt damit fest, welche vermittlungsmittel/medien überhaupt benutzt werden.
Eine analytisch-kritische Reflexion der medienpädagogik befaßt sich mit dem aktuellen leitmedienwechsel und dessen systemischen konsequenzen für sämtliche formellen und informellen lernprozesse.
Hhm…
Ich habe lange gezögert, ob ich mich als „Kopf-Alte“ (J. Ertelt) wirklich hier zu Wort melden soll. Zumal ich das Medium gleich auch falsch benutzen werde. Denn ich habe nun dermaßen viele Blogs und Kommentare gelesen, dass ich nicht mehr weiß, was wo stand. Meine Antworten auf all diese verstreuten Lektüren schreibe ich nun also hier rein, obwohl nicht alles zu dem oben drüber stehenden direkt passt. Aber der Kommentar von Benjamin Jörissen hat mir aus der Seele gesprochen, also schließe ich mich mal dieser „Gruppe“ an.
Die ganze Aufregung um den Kongress verstehe ich nur zum Teil. Ja, es gab kein W-Lan. Ja, ich hatte mich umsonst vorbereitet auf meine Arbeitsgruppe, denn der Beamer war nicht da und keine Projektionsfläche in Sicht. Ja, ich habe mich gelangweilt am 2. Tag, zumindest am Vormittag. Nachmittags konnte sich das Publikum, also wir, ja doch besser beteiligen. Zu lange Eingangsreden, zu lange Statements, die überflüssige Zusammenfassung des Gehörten durch einen weiteren Redner – alles nicht so dolle und unbedingt zukünftig zu vermeiden! Dennoch: Die positive Seite überwiegt für mich. Warum?
1. DIE fünf renommierten Institutionen der Medienpädagogik / Medienbildung und -forschung in Deutschland haben sich zusammen getan und in langer Kompromisssuche diese Veranstaltung auf den Weg gebracht. Und es ist sehr viel Arbeit in die Vorbereitungen und Aushandlungsprozesse geflossen. Diese Institutionen repräsentieren die Mehrheit aller Medienpädagogen / Medienbildner / Medienkompetenzler / Medienforscher. Sie haben ENDLICH eine gemeinsame Veranstaltung gemacht, alle wichtigen Protagonisten waren versammelt. Und sie haben zwei Landesmedienanstalten, die eigentlich länderbezogen handeln, wenn es um Medienbildung geht, dazu gebracht, diese Veranstaltung zu unterstützen.
2. Dass so wenig „echte“ Politiker anwesend waren, kann man nicht allein den Veranstaltern anlasten. Aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg (da wurde ja angefragt) konnten natürlich nicht 2 Tage vor ihrer Wahl nach Berlin kommen. Und dann ist da die Krux mit dem Förderalismus. Wer soll denn für welches Thema kommen? Für die Jugendbildung könnten es die Ländervertreter UND der Bund sein. Für die Schule NUR die Länder, für die Hochschulen wieder beide usw. Das ist ja allenthalben bekannt. Und das ist ja genau das Dilemma unserer Bildungspolitik. Kommt aber der eine nicht, kommt auch der andere nicht.
Und dass die Ministeriumsvertreter keine Politiker seien, stimmt m.E. so nicht. Selbstverständlich handeln diese mit der Auflage von Förderprogrammen und Internet Dialogen politisch und sind in diesem Handeln politisch beeinflussbar.
Somit waren also mindestens vier Politiker da. Was hindert es die einzelnen AGs, ihre Forderungen nun so zu formulieren, dass sie an die richtige politische Adresse gelangen können? Das ist eine Arbeit, die nach dem Kongress weitergehen muss. Viele von den Kritikern des Kongresses haben die Enquete-Kommission adressiert. Das ist ein guter Weg. Aber nicht der einzige.
3. Die Arbeitsgruppe Medienbildung im Gemeinwesen war für mich ein echter Gewinn. Es kamen genau die Einrichtungen und Menschen zusammen, die für dieses Thema relevant sind. Und wir hatten eine gute Vorbereitungsgruppe, die ein interessantes Papier verfasst hat. Die Diskussion in der AG war weiterführend, man ging schlauer raus, als man reingegangen ist. Dass die Forderungen dieser AG so dünn auf dem Ergebnispapier ausgefallen sind, lag an einem Kommunikationsproblem. Das war wiederum nicht schön, aber es ist auch nicht tragisch. Denn die AG und der Kongress waren eine Etappe auf einem langen Weg, in einem Prozess der Überzeugungsarbeit. Überzeugungsarbeit nicht nur in Richtung Politik, sondern auch in Richtung Bündnispartner in der Kommune, in den Schulen, in den Bibliotheken, bei den Parlamenten und Ministerien und und und. „Meine“ AG-Gruppe könnte weiterarbeiten, ein Konzept schreiben und es adressieren. Dafür will ich mich einsetzen. Und dabei kann ein Ergebnis rauskommen, davon bin ich überzeugt. In Form eines guten Förderprogramms oder in Form eines Modellprojekts einzelner Protagonisten aus der Gruppe. Also hat sich der Kongress gelohnt, weil dabei etwas Neues entstanden ist. Es war partizipativ, gleichberechtigt und auch unvorhersehbar, was in der AG herauskam. Also genau das, was in verschiedenen Blogs schon gefordert wurde. Nur gibt es offensichtlich verschiedene Interpretationen, was man darunter zu verstehen hat.
4. Es ging doch gar nicht nur um schulische Bildung. Die AGs haben doch eine breite Abbildung des Nichtschulischen ermöglicht. Aber wer heute ernsthaft junge Menschen erreichen will, kommt an Schule nicht vorbei. An einer sich öffnenden Schule, die außerschulische Partner „reinlässt“, die raus geht ins Quartier, die im Netz unterwegs ist und die mobil agiert. Dafür muss Schule sich bewegen und dafür muss man viel über Schule reden. Und Angebote machen, die es den Protagonisten erleichtern, auf den Weg der Medienbildung / Bildung mit Medien einzuschwenken. Das steht genauso in der Pressemitteilung drin, die nun so zerflückt wird.
5. Bildung mit Medien und Medien in der Bildung und Medienpädagogik- das war alles da auf dem Kongress. Natürlich denken viele dabei an Medienpädagogik und man hatte manchmal den Eindruck, manche Redner wollen einfach nur ihr Berufsfeld promoten. Aber es braucht beides, das sind keine sich ausschließenden Gegensätze. Ich warne aber davor, bei dem Konzept „Bildung mit Medien“ von dem „aufklärerischen Impetus“ der guten alten Medienpädagogik befreien zu wollen. Dann landen wir wieder da, wo schulische und universitäre Mediendidaktik ja leider immer noch feststecken (nur auf einem niedrigeren Entwicklungsniveau): bei instrumentalisierter Nutzung von Medien, ohne Selbstreflexion. Wenn wir tatsächlich im Zeitalter der digitalen Revolution leben, dann braucht es doch den aufklärerischen Impetus. Denn wozu sollte Bildung denn sonst gut sein, egal ob mit oder ohne Medien, in oder außerhalb von Medien.
So also die Sicht der Dinge einer 50+ Teilnehmerin.
Herzliche Grüße
Katja Friedrich,
medien+bildung.com / Bundesvorstand GMK
@Quergedanken Wie auch immer wir es nennen. Es war mit Sicherheit kein Barcamp. Nicht alles, was keinem prazisen Plan folgt, ist ein Barcamp, dazu braucht es deutlich mehr. Für mich bleibt es eine Gegenveranstaltung, aber nicht im Sinne von dagegen, sondern im Sinne von gegenteilig. Es war auch für mich eine Ergänzung und es war genau das Gegenteil zu dem, was uns am Tag zu vor begegnete, daher rührte auch mein Entschluss euch in das Cafe zu folgen.
.. ich schließe mich meiner Vorrednerin Katja Friedrich an – bisher habe ich gezögert, mich zum Kongress zu äußern – so viele Gedanken, Widersprüche, aber auch ein wenig Erstauen und stellenweise Ärger muss noch sortiert werden. Das differenzierte Resümée von von Benjamin Jörissen kann ich daher für den Moment sehr gut teilen: http://joerissen.name/medienbildung/keine-bildung-ohne-medien-resumee/
Um es Vorweg zu nehmen: Der Kongress war insofern für mich ein Erfolg, als das sich – wie schon von einigen Vorredner/innen benannt – 450 Personen vor Ort (und es wären evtl. auch noch mehr gekommen) aus den unterschiedlichen Bereichen medienbezogender Pädagogik mit einem Ziel auf einer Veranstaltung getroffen haben! In der AG „Schule“ waren dreiviertel der ca. 100 angemeldeten Personen anwesend, was zu einer erfreulich, umfassenden Perspektive auf die Thematik führte (von Lehrer/innen, Fort- und Weiterbildner/innen, Forschung, Lehrerbildner/innen aller Phasen bis zur Administration waren Perspektiven vertreten)
Und nun komme ich zum eigentlich Anlass meines Kommentars: Als eine der Moderator/innen der AG „Medienbildung in die Schule!“ möchte ich zum Thema „Medienpädagogik als Fach“ ebenfalls korrigieren und ergänzen: Wir haben in unserer AG mit ca. 75 Personen aus allen Bereichen die beinahe klassische Frage nach einer integrativen Medienbildung bzw. Medienbildung als Querschnittsaufgabe vs. Fach oder Ergänzung zum Informatikunterricht nur am Rande geführt, da es hier im Moment überhaupt keinen Konsens aus medienpädagogischer Perspektive gibt. Daher gibt es dazu auch keine Forderung, denn hierfür fehlt zur Zeit die „eine Stimme“ mit der gesprochen werden kann.
Wir haben uns aber in der AG Schule darauf besonnen, dass es um bildungspolitische Forderungen gehen muss, die im wahrsten Sinne des Wortes „machbar“ und nicht nur abzunicken sein müssen. Daher haben wir übergreifend den Aspekt der Verbindlichkeit diskutiert, der sich dann auch in unseren 3+2 Forderungen niederschlägt (vgl. z.B. hier: https://medienkompetenz.enquetebeteiligung.de/proposal/510-Handlungsempfehlung_Medienbildung_in_der). Die genannten Forderungen stellen hierfür erste „Hebel“ dar. Diese müssen selbstredend noch weiter konkretisiert werden, z.B. durch die Festschreibung von Standards für Medienbildung und Kompetenzniveaus in der Lehrerbildung oder zu erfüllende Kennzahlen für Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrer/innen und Schulleitungen, aber auch durch eine Positionierung „nach außen“ im Sinne von Medienfach oder integrativer Ansatz.
Und ja: Wir waren uns einig, dass die Medialisierung für alle ersichtlich sein sollte und eigentlich keiner Formalisierungen bedarf, sondern eine medienpädagogische Grundbildung selbstverständlich sein sollte. ABER: Auch zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre für den Bereich Schule, dass das Setzen auf „Leuchtturmprojekte“ und engagierte einzelner Lehrer/innen mit Vorbildfunktion („bottom up“) nicht zwingend zu einem breiten Eingang von „Medienbildung in die Schule“ führt. Vielmehr bedarf es klare formale Regelungen und Einbindungen in Rahmenpläne etc. („top down“) für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrer/innen sowie der Integration von Medienbildung in die Schule durch die Schulleitungen sowie den Institutionen der Lehrerbildung. Dieses erscheint mir notwendig (zu dieser Erkenntnis bin ich im Laufe des letzten Jahres in der Auseinandersetzung mit dem AG-Thema gekommen), da die Bildungsinstitutionen heute mit vielfältigen Veränderungen konfrontiert werden, die Energie bedürfen. Was nicht formal festgeschrieben und z.B. durch Akkreditierungen oder Qualitätssicherungsprozesse in den Schulen konkret „abgehakt“ werden kann, ist zur Zeit kaum durchsetzbar.
Kurz noch zu den Partizipationsmöglichkeiten: Dass man am Setting einer Veranstaltung etwas ändern kann, weiß man meistens im Nachhinein – zumal, wenn es ein Kongressformat ist, dass für die Zunft relativ neu ist. Auch ich war nicht mit den (kaum vorhandenen) Interaktionsmöglichkeiten am zweiten Tag zufrieden, hatte ich doch im Vorfeld den Begriff „Dialogrunde“ anders aufgefasst. Aber ich denke auch, dass eine nachfolgende Veranstaltung (und die sollte es geben) auch vor Ort offener organisiert würde – von mir aus gerne in Anlehnung an Erfahrungen mit den (funktionierenden) Großgruppenmethoden der BarCamps.
Partizipativ war der Kongress allerdings schon im Vorfeld angelegt. Dieses betrifft besonders die Arbeit in den AGs. So war es z.B. in der AG „Schule“ war es möglich, sich schon seit Sommer 2009 bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Positionspapiers, wie es schließlich im Booklet zum Kongress erschienen ist, einzubringen. Dieses wurde von einigen wenigen, deren Kommentare auch Eingang in den Text zum Kongress fanden, auch genutzt.
Insgesamt meine ich, dass die gesamte Initiative keine Abrechnung verdient hat, sondern eine Ermutigung den eingeschlagenden Weg weiter zu gehen – um sich wie im Plenum häufig gefordert auf „eine Stimme mit Konkretisierungen“ zu einigen und aus den gemachten Erfahrungen zu lernen und sich mit neuen Impulsen auseinanderzusetzen.
Hmm, jetzt ist es doch an dieser Stelle doch etwas Mehr geworden … vielleicht schreibe ich trotzdem noch etwas in meinem Blog dazu.
Kerstin Mayrberger
(Moderatorin der AG „Medienbildung in der Schule“)