Nachdem Google seinen Reader eingestellt hat, stellt man sich die Frage, ob selfhosting oder zumindest das Bezahlen von Diensten nicht eine andere Moral bei den Dienste-Anbietern weckt. Die Konsequenzen sind zumindest bei mir nicht nur darauf beschränkt, einen neuen RSS Feed-Reader zu suchen, sondern grundsätzlich ein anderes ökonomisches Ökosystem aufzubauen.

Sowohl Twitter und Google als auch Facebook verdienen Geld durch das Platzieren von Werbung. Damit haben sie sich als ernstzunehmender Anbieter eines Kommunikationsdienstes disqualifiziert. Sie werden nie einen Dienst anbieten, der nicht den Geldgebern dient. Das Nichtsupporten von Flattr, wenn auf Twitter ein Post gefavt wird ist nur eines der jüngsten Beispiele. Bei Freemium Geschäftsmodellen erwartet man zumindest in der Bezahlvariante die Fokussierung auf den zahlenden Kunden und seine Bedürfnisse. Nicht nur, dass man sich die Werbung wegkauft, sondern auch, dass die Zahlungsmoral ganz andere Kunden anzieht. Die Entwickler der Android App Robin posteten vor ein paar Tagen dazu:

Robin bei App.net zu Ökonomie

Robin bei App.net zu Ökonomie

Ich habe daraufhin eine kleine Umfrage gestartet um herauszufinden, ob Menschen im Internet bereit sind, für angebotene Dienste im Internet Geld zu bezahlen. 50 Internetnutzende haben sich daran beteiligt:

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Aber die Frage ist ja auch immer, was unter Kommunikation verstanden wird. Solange Kommunikation bedeutet, die eigenen Blogposts im Netz bekannt zu machen, führt kein Weg an den etablierten Netzwerken wie Facebook und Twitter vorbei. Wer mit anderen gemeinsam Links, Blogposts, Videos oder andere digitale Erzeugnisse diskutieren will, stößt an die Grenzen dieser Netzwerke, die ein Interesse an unseren Vorlieben haben, aber nur begrenzt den Traffic in vertrauliche Kommunikationen lenken will.

Vor lauter schlechter Laune, weil sich die etablierten Netzwerke nicht weiterentwickeln (die Gruppenfunktion bei Facebook ist auch schon wieder 2 Jahre alt, dass Google erst in 2013 nachgezogen hat, ist schon recht peinlich), habe ich mir App.net genauer angeschaut.

ADN is designed as a platform, not an application – Was ist ADN?

Zu App.net gibt es im Moment kaum Alternativen. Es eine Plattform, aus der eine Reihe von Diensten hervorgehen. Einer ist eine Art Twitter, der von Tag zu Tag Twitter unähnlicher wird, weil der Dienst sich mit heftiger Geschwindigkeit weiterentwickelt. Die bisherigen Unterschiede habe ich weiter Unten aufgelistet. Was ADN verspricht:

  • We are selling our product, NOT our users.
  • You own your content.
  • Our financial incentives are aligned with members and developers.
  • App.net employees spend 100% of their time improving our services for you, not advertisers.
  • We are operating a sustainable, predictable business.
  • We respect and value our developer community.
  • Our most valuable asset is your trust.

Twitter und ADN im Vergleich

Auch wenn die beiden Netzwerke auf den ersten Blick viele Ähnlichkeiten haben, so stecken doch sehr unterschiedliche Konzepte dahinter. Twitter, einst bekannt für eine sehr breit angelegte API, hatte viele Entwickler angezogen, die eigene Dienste entwickelten und so aus den bei Twitter hinterlassenen Daten viele tolle Informationen aufbereiteten. Es erinnerte ein wenig an die Open Data Utopien. Also der Idee, dass der Staat einen Teil seiner nicht personenbezogenen Daten freistellt, damit darauf Services aufsetzen können, die die Welt insgesamt ein wenig besser machen, die Stadt Frankfurt wurde immer als leuchtendes Beispiel hervorgehoben. App.net verfolgt ein ähnliches Ziel: Es versucht sich für Entwickler interessant zu machen, ob das gelingt wird die Zukunft zeigen. Aber jetzt zu den Unterschieden:

  • Zeichenanzahl 256 statt 140
  • Einstellungen
  • App.net ist kostenpflichtig. Mit 36 $ im Jahr ist man dabei. Entwickler bezahlen 100 $ pro Jahr. Aber damit gibt es auch eine geschäftliche Beziehung. Wenn ADN nicht im Sinne seiner Kunden handelt, bricht das Geschäftsmodell ein und ADN geht unter ebenso wie Twitter seine Werbekunden nicht vergraulen darf.
  • Dataportability
  • direkte Nachrichten auch an mehrere Empfänger
  • unter jedem Post stehen die dazugehörigen replies, so dass man jeder Zeit Einblick in eine zurückliegende Diskussion bekommen kann. Außerdem wird das Gespräch gethreaded, so dass man sehen kann, wer auf wen reagiert hat.
  • unter jedem Post stehen darüber hinaus die Stars (Favoriten) und Reports (retweets)
    Stream Marker Support: ADN synchronisiert, wo du mit lesen aufgehört hast, über alle Clients hinweg

Clients und Dienste für iOS, Android, Browser und Desktops

Eine vollständige Liste mit allen bisherigen Diensten, die App.net umgeben, gibt es hier: https://directory.app.net/

Trotzdem ein paar Tips beruhend auf meinen bisherigen Trials:

  • Client für iPhone: Felix
  • Client für iPad: Netbot, kommt aus der gleichen Schmiede wie Tweetbot und erinnert noch eher als andere Clients an Twitter
  • Client für Android: Robin
  • Client OSX: Kiwi

Weitere Funktionen
Climber ist so ähnlich wie Vine und veröffentlicht die kleinen Videos auf ADN.

Patter ist letztendlich eine weiterentwickelte Direct Message von Twitter. Man kann mehreren eine private Nachricht schreiben oder aber auch einen Kanal zu einem Thema eröffnen. Wie gesagt, Kommunikation steht bei App.net ganz oben. Es erinnert dabei an einen Chat, mit der „richtigen“ App (Felix, siehe oben) wird Patter in deine Messages bei App.net integriert, das heißt auch hier werden deine Daten gespeichert. Ob das bei Gesprächen auch um die Daten der Anderen geht kann ich nicht sagen, aber vielleicht kann das noch jemand in den Kommentaren erledigen.

Files-App sammelt alle bei App.net hochgeladenen Files, also im Moment Fotos und Videos. Insgesamt hat man 10 GB frei, wenn man die 36$ bezahlt hat.
Unter http://blog-app.net/ kann man sich ein eigenes Blog zusammenklicken. Die Funktionen sind im Moment noch sehr rudimentär. Aber es wurde schon angekündigt, dass man schon bald anderen Blogs folgen kann.

Vidcast ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Entwickler im Moment versuchen Kommunikationsdienste um App.net herum zu etablieren. Mit Vidcast können Videos auf Youtube besprochen und kritisiert werden. Im Bereich Flipped Classroom durchaus eine interessante Anwendung, wenn man mit mehreren gleichzeitig die aufgezeichnete Vorlesung anschauen möchte.

Eine Zusammenfassung aller öffentlich bei ADN geposteten Bilder gibt es hier

Welches Netzwerk wofür?

Je mehr Netzwerke es werden um so mehr stellt man sich aber auch die Frage, ob man die wirklich alle braucht und wenn ja wofür. Das sogenannte Crossposting ist aus Gründen verpöhnt. Ich mag es auch nicht, zumal man ja auch häufig denselben Menschen folgt. Meine Trennung sieht so aus:

Facebook: Werbung für die eigenen Blogposts und Gruppen. Die eigene Timeline hat kaum eine Bedeutung es sei denn, das Posting ist definitiv zu lang für Twitter.

Twitter: Für Fernsehen insbesondere #tatort und Veranstaltungen. In Sachen Werbung hat Facebook Twitter schon lange in den Schatten gestellt, zur Kommunikation ist es unbrauchbar.

ADN: Ein weiteres Experiment um zu sehen, ob Menschen, die bereit sind für einen Dienst im Internet zu bezahlen auch Visionen für digitale Kommunikation haben. Eins ist jetzt schon sicher, der gemeine App.net Nutzende ist sicherlich nicht langweilig und Konsumgetrieben. aber Saturn und Mediamarkt sind auch nicht die Orte um die technische Infrastruktur zu kaufen. Außerdem ist es interessant zu sehen, wie ein Netzwerk geboren wird. Die Erneuerungskraft von App.net ist gewaltig. Es vergeht kein Tag ohne eine neue App oder einen neuen Service. Da will man doch dabei sein.

Google+: Eigentlich bin ich da nur wegen Martin Lindner und Kathrin Passig. Wenn dem Herrn Lindner jemand ein Blog installiert, schalte ich g+ ab und abonniere das Feed.

LinkedIn: Ich habe dort nur einen Account, um die Netzwerk-Anfragen ausstellen zu können.

Foursquare: Als Experiment gestartet aber nie darüber hinaus gekommen. Quintessenz: Um mich spontan mit @ralfa zu verabreden funktionierts, ansonsten gewöhne ich mir gerade ab, überall einzuchecken, sondern nur noch da, wo man einen auf dicke Hose machen kann.

App.net ausprobieren

Und wer jetzt der Meinung ist ADN ausprobieren zu müssen, kann hier eine kostenlosen Invite bekommen. Damit könnt ihr maximal 40 Accounts folgen. Mich findet ihr unter @gibro

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schreibt kurz in den Kommentaren, wenn ihr einen Invite nutzt, danach sucht einfach nach „Invites app.net“ und ihr werdet weitere finden können.