Wie kann es gelingen, Seminarmaterialien nicht nur zum Download anzubieten, sondern auch mit einer Versionsverwaltung zu versehen und gleichzeitig mit mehreren Menschen gemeinsam daran zu arbeiten? Warum ist es so schwer Bildungsmaterialien so einladend zur Verfügung zu stellen, dass die „Anderen“ sie nicht nur nutzen, sondern auch verändern können und ich, als Bereitstellender auch davon erfahre? Warum ist das so schwer, wenn das Problem doch eigentlich schon lange gelöst ist? Eine Idee hatte ich schon 2014 mit dem Artikel „Was OER von der Freien Softwareproduktion lernen kann“ vorgelegt. Heute soll sie aufgegriffen und ihre Umsetzung beschrieben werden.
Die Lösung heißt github. Es wird spöttisch auch als das Social Network der Programmierenden bezeichnet. In den meisten Fällen ist es die Wiege ernstzunehmender Softwareprojekte, deren Namen den meisten meiner Lesenden nicht sagen werden. Es ist ein Versionierungs- und Kollaborationswerkzeug für Programmierende. Aber Programmcode ist auch nur Text und folgt, wie die Dokumentation von Bildungskonzepten einer textlichen Logik. Um zu zeigen, dass es wirklich funktioniert, habe ich eine meiner OER-Bildungsrouten dort eingepflegt.
Wie kann github helfen OER Materialien zu verwahren, zu verwenden, zu verarbeiten, zu vermischen und zu verbreiten? Dazu muss ich etwas tiefer in die Funktionsweise von github einsteigen.
Verwahren
Github ist eine Plattform, auf der Dateien hochgeladen und Ordner verwaltet werden können, wodurch jedes Bildungsmaterial, was sich als Datei abbilden lässt, auch bei github hochgeladen werden kann. Die Dateiendung spielt für github erst einmal keine Rolle. Man kann also nicht nur php Dateien hochladen, sondern auch alles andere.
Verwenden
Github erstellt aus einem repository, so heißt bei Github eine Instanz, die ein Projekt umfasst, eine zip Datei herunterladen. Von dort aus steht der Verwendung nichts mehr im Wege. Hinzu kommt, dass bei der Anlage eines neuen repository, eine Readme und eine License Datei automatisch angelegt werden können. In die Readme schreibt man die Anweisungen zur Verwendung des Bildungsmaterials, in die License wird der gesamte Lizenztext kopiert, gerne auch noch mit genauen Anweisungen versehen, wie das Repository, falls es erneut veröffentlicht wird, zu zitieren ist.
Verarbeiten
Github legt von Projekten, die verändert oder angepasst werden sollen sogenannte Forks, also Gabelungen an. Es handelt sich bei den Forks um eine vollständige Kopie des Projekts, die dann verändert werden kann. Falls die Änderungen auch Einzug in das Ausgangsprojekt erhalten sollten, können sie mit einem sogenannten Pull request dem/der Hauptentwickelnden bekannt gemacht werden. Der oder die kann dann entscheiden, die Änderungen aufzunehmen, oder aber auch nicht. In jedem Fall sind von einem Projekt ausgehend alle weiteren Forks zu erreichen und auch einzusehen. Änderungen werden mit Hilfe sogenannter Diffs angezeigt. Diffs vergleichen grafisch die Ursprungsversion mit der geänderten Fassung. So wird direkt offensichtlich, wo etwas geändert wurde.
Zu jedem Repository gehört ein Wiki. Dort kann das Bildungsmaterial weiter und präziser beschrieben werden: Wer hat es wo, wie genutzt? Welche Erfahrungen wurden gemacht? Welcher Rahmen ist zu beachten? etc.
Ausserdem gibt es eine grafische Auswertung der bisherigen Downloads, aber auch der Bearbeitungen, etc. damit hat man ein indirektes Maß für die Qualität des Materials. Ähnlich wie bei Software ist gute Pflege und Anpassung an aktuelle Gegebenheiten eher ein Gütesiegel, auch wenn das bei Bildungsmaterial sicher nicht in gleichem Maß gilt, wie für Software.
Eine Grafik zeigt ausserdem, welche Änderungen Einzug in den Hauptentwicklungszweig genommen haben und welche nicht. Das gesamte Veränderungs- und Anpassungssystem wird abgebildet und lässt die Evolution eines Bildungsmaterials sichtbar werden.
Vermischen
Das Remixen ist eng an die Verarbeitung gekoppelt und wird durch github sinnvoll abgebildet.
Verbreiten
Github ist eine Plattform im Netz und bietet deshalb zentrale und gleichermaßen verteilte Infrastruktur, um Bildungsmaterialien bereitzustellen. Ein Projekt kann öffentlich oder nicht öffentlich bereitgestellt werden.
Github ist Freie Software und somit auch eine Infrastruktur, die nicht so schnell nur von einem mächtigen Anbietenden abhängt.
Mit dem Programm Github Desktop kann man einfach eine Verbindung zwischen der lokalen Dateiverwaltung und der Github-Instanz herstellen:
Jetzt, da wir die Software haben, um OER Materialien gemäß den 5 Vs bereitzustellen, sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie man komplexere Bildungskonzepte am besten abbilden und dokumentieren kann, so dass die Weiterarbeit auch nicht verloren geht. Ich werde dazu mit den Teilnehmenden meines kleinen Workshops am Montag, während des OER Camps, weiter nachdenken. Und wie ich gerade gesehen habe, findet parallel ein weiterer Workshop zu Gitbook statt, das auf der Basis von Github die gemeinsame Erstellung von Büchern und Dokumentationen unterstützen soll, allerdings gibt es nicht, wie bei github, die Möglichkeit ein Projekt zu forken, aber vielleicht kann mir da der Workshopleiter am Montag genaueres zu sagen.
Spannende Sache gibhub so einzusetzen.
Für OER finde ich es übrigens ganz interessant, dass github selber beim Anlegen von Repositories keine Creative Commons Lizenzoption bietet. Klar, die sind im Softwarebereich einfach nicht verbreitet aber daher muss man also bei CC lizensierten Inhalten auf Github speziell in der readme auf die Lizenz hinweisen.
Hi Guido,
schöner Beitrag!
Noch erwähnt werden sollte, dass github seinen eigenen issue tracker mitbringt. Der wird in der Softwareentwicklung benutzt, um auf Fehler hinzuweisen – manchmal aber auch um Verbesserungen vorzuschlagen. Dieses Feature erscheint mir auch im Rahmen von OER-Entwicklungen in Bezug auf Qualitätssicherung sehr sinnvoll.
Leider lassen sich Veränderungen (Diffs) nur für Code, bzw. Textdateien anzeigen, was für viele Entwicklungen im Bereich OER natürlich nicht funktioniert.
Schade, dass ich auf dem OER-Camp in der Zeit schon verplant bin. Viel Erfolg dort!
Markus
Oh ja, danke für die Ergänzung. Es geht, wie Eingangs gesagt auch weniger um das einzelne Material, sondern eher um komplexe, zusammenhängende Konzepte. Dort, wo es nicht nur um das Erklärvideo oder das CC-Bild geht, sondern um Material, das sich aufeinander bezieht. Dort wird github seine Möglichkeiten entfalten können. Der von dir erwähnte issue tracker ist dafür ein gutes Beispiel. Diffs können sich im OER Bereich auch in unterschiedlichen Forks ausdrücken. Zumal ja ein Material niemals zweimal auf die gleiche Weise eingesetzt und wirken kann, es sei denn wir sprechen von Schulbildung, dort soll es soetwas geben :-).
[…] Weitere Gedanken zum Thema GitHub finden sich auf Guido Brombachs Blog: Remixen erwünscht! OER mit Github. […]
ja… und wie würde man ein Fork nach aussen bezeugen?
Das fehlt noch immer.
So etwas wie ein Satz „Hier (Link) hat dieser Mensch eine interessante Alternative für seine Klasse vorbereitet.“.
paul