„Von Dieben lernen.“ Mit diesem Artikel hat die ZEIT mit einem ihrer beiden Leitartikel in der 8. Ausgabe 2012 wieder voll daneben gegriffen. Der Untertitel „das Urheberrecht hat weiter einen hohen Wert – aber es muss sich auch neuen Medien und Konsumenten anpassen“. Aber gibt es überhaupt noch DEN Konsumenten im Zeitalter von Facebook und Twitter?

Der Artikel spricht von der 0-Euro- und der 21-Euro-Fraktion. Und meint damit auf der einen Seite die Raubkopierer und auf der anderen Seite den ehrlichen Bürger, der die CD bei iTunes kauft und anschließend herunterläd. Darauf kann man aber die Auseinandersetzung um das Urheberrecht und damit um ACTA nicht reduzieren. Wer bei 20 Mio Facebook Nutzern in Deutschland und 200 Mio Tweets weltweit täglich noch an DEN Konsumenten glaubt, hat nichts verstanden. Ein falsches Zitat oder der unüberlegte Upload eines Bildes bei Facebook und die Abmahnung ist zur Zeit nicht weit. In einer Welt voller Konsumenten bräuchten wir kein ACTA, aber Alle wissen Bescheid. Der Grund für ACTA ist die exponentielle Zunahme der Autoren.

Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der sich analog und digital voneinander trennen lassen. Die Welt der ACTA-Proteste heißt Anatalien. Hier sind beide Welten miteinander verschmolzen. Es geht nicht um einen Kompromis aus beiden Welten, sondern um vollkommen neue Regeln. Das fällt den angestammten Gatekeepern  schwer zu verstehen. Deshalb sprechen sie auch lieber von Konsumenten und Raubkopierern. Nicht die „Raubkopierer“ sind auf die Strasse gegangen um ihre Praxis zu verteidigen, sondern die Internetbewohner waren es, die mit dem vor sich gehenden Wahnsinn nicht einverstanden sind. Es ging ihnen um Verbraucherschutz als Contentproduzenten. Das Produzieren von Inhalten ist für viele zu einem Hobby, einer Art Breitensport geworden. Alle können es nicht nur produzieren, sondern auch distribuieren und mischen dabei im Feld angestammter Geschäftsmodelle mit. Dabei geht es schon lange nicht mehr um das reine Anhören von Musik, liebe ZEIT Redaktion, sondern auch um das remixen und neu kreieren, zu dessen Zweck das Urheberrecht gebrochen wird, dann allerdings häufig unabsichtlich. Das Urheberrecht kann zumindest im Moment den ganzen Hobbycontenterstellern keine einfache Antwort auf die Zweit- und Drittverwertung geben und deshalb lohnt es sich gegen ACTA auf die Strasse zu gehen.

Das Ringen um eine Revolution des Urheberrechts ist dabei mehr als die Novellierung eines Gesetzes. Es geht um die Transformation jedes Konsumenten zum Autor. Letztendlich gilt das für jeden Produktionsprozess an dem Menschen beteiligt sind, die Wissen über die Herstellung eines Produktes haben müssen. Das Urheberrecht tangiert alle nur denkbaren Bereiche unseres täglichen Lebens:

  • Bildung und Forschung
  • medizinische Versorgung
  • Herstellung von Nahrungsmittel
  • Kleidung
  • Automobilindustrie
  • Technologie

ACTA ist also nicht ein Handelsabkommen, um ein paar Raubkopierern das Leben schwer zu machen. Das wäre mit der aktuellen Gesetzgebung schon möglich. Es handelt sich um Fragestellungen, die unser aller Leben beinflussen werden. Deshalb braucht es zu urheberrechtlichen Fragen einen breiten Dialog und nicht das Diktat weniger, die ihr Geschäftsmodell erhalten wollen.