Achtung, es folgt ein längerer Text, der zuerst im Jahrbuch von Arbeit und Leben erschienen ist und die hier im Blog schon häufiger beschriebenen Phänomene der Digitalisierung neu rahmt und versucht daraus ein paar konkrete Seminarideen abzuleiten.

1. Ungeeignete Computermetaphern

Seit mit dem Computer vor 30 Jahren angefangen wurde die Wissensarbeit zu automatisieren, sollte eine möglichst intuitive Nutzung der Maschine ermöglicht werden. Es waren die grafischen Oberflächen, die den Siegeszug des Computers ebneten. Um die Maschinen inuitiv nutzen zu können, wurden eine Reihe an Metaphern verwandt, die in den Büros vorzufinden waren. Ihre digitale Entsprechung wurde auf die Oberfläche des PC kopiert. Der Start-Bildschirm wurde Desktop genannt, wodurch der Sinn und Zweck der Bildschirmanzeige den Nutzenden verständlich wurde. Der so genannte Schreibtisch hat jedoch in seiner digitalen Entsprechung sehr wenig mit einer Schreibtischoberfläche gemeinsam. Letztendlich war er nichts anderes als ein Verzeichnis, in das Daten gespeichert werden konnten. Auch wenn sich sowohl Aussehen als auch die Funktionalität in den letzten 25 Jahren vielfach verändert haben, so wird der Start-Bildschirm bis heute Desktop genannt. Das damit verbundene Bild, hat jedoch nichts mit einem Schreibtisch gemeinsam.

Neben den begrifflichen Schwierigkeiten gab es aber noch ein anderes Problem, das mit der fortschreitenden Digitalisierung einherging: Diese wurde in den Augen der Nutzenden häufig als eine Kopie seiner Repräsentanten aus der analogen Welt verstanden. Dadurch wurde allerdings verkannt, dass von Analog zu Digital eine 1:1 Analogie nicht möglich ist. Der Ordner zum Beispiel entspricht keineswegs seinem digitalen Pendant, denn der digitale Ordner kann nicht nur beliebig viele Unterordner, sondern auch unendlich viele Dateien beinhalten, die eher zur Desorientierung beitragen. In der Seminararbeit, im DGB Tagungszentrum in Hattingen, haben wir immer wieder sehen können, wie schwer es Computer-Neulingen fällt, die in Ordnern abgelegten Dateien wiederzufinden. Hier wird häufig versucht, die vermeintliche 1:1 Analogie anzuwenden, denn für die Lokalisierung einer Datei in der physischen Welt ist der Ordner der richtige Behälter. In der digitalen Welt hat der Ordner aber eher eine Hierarchisierung von Informationen zufolge und verliert somit im Digitalen teilweise seine Funktion.

Auch die Informatiklehrer schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, weil ihre Schüler/innen weder Ordner anlegen noch Dateien speichern können. Die bisherige Berührung mit der digitalen Welt hat häufig auf Tablets oder Smartphones stattgefunden, bei denen dieses grundlegende Ordnungsprinzip keine Rolle mehr spielt.

Eine ebenso falsch verstandene Analogie tritt bei der Betrachtung von E-Mail Icons zu tage. Man wird feststellen, dass fast durchgehend die Metapher des Briefumschlags genutzt wird, um die E-Mail zu repräsentieren. Technisch gesehen hat jedoch die E-Mail weniger mit einem Brief als vielmehr mit einer Postkarte, die im Zweifelsfall auch vom Briefträger gelesen werden kann, zu tun. Die Sicherheit und Privatheit, die mit der Versendung einer E-Mail assoziiert wird, zeigt sich bei der Unbekümmertheit mit der wir die E-Mail in vertrauenswürdigen Kommunikationen einsetzen. Würden geöffnete Briefe in unserem Briefkasten landen, wäre der Aufschrei sicherlich größer als bei der aktuell stattfindenden allgegenwärtigen Kommunikationsüberwachung.

Die Verwendung unpassender Metaphern hat einen daraus abgeleiteten Umgang mit dem Digitalen zur Folge. Eine ganze Reihe solcher problematischer Bilder (Metaphern) haben Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch erhalten und haben damit in erheblichem Maße Einfluss auf unsere Vorstellung von der digitalen Welt genommen. Eine häufig gebrauchte Metapher ist das Stopschild. Zuletzt wurde es von Ursula von der Leyen benutzt, um die dunkle Seite des Internets zu zensieren. Aber wie die meisten Analogien zum Autoverkehr, scheitert auch das Stopschild an den Unterschiedlichkeiten von Analog und Digital. Es weckt die Assoziation, dass niemand mehr den dahinterliegenden Inhalt sehen kann, faktisch wird aber nur der Zugang erschwert und im Zusammenhang mit Kinderpornografie werden die Täter durch ein Stopschild nicht zur Verantwortung gezogen.

Es haben sich eine ganze Reihe anderer Abhandlungen mit der Problematik solcher Metaphern auseinandergesetzt. Und trotzdem sorgt ihre Vereinfachung durch die vermeintlichen Analogien nach wie vor für den beharrlichen Gebrauch solcher Bilder.

Kurz um, die Zeit in der wir Bilder brauchten, um intuitiv mit Computern umgehen zu können, ist vorbei. Heute müssen wir uns fragen, inwiefern diese Metaphern unsere Vorstellung der digitalen Welt falsch geprägt haben. Aber auch, ob es sinnvoll ist analoge/physische Gegenstände digital abzubilden oder ob die digitale Welt nicht einen eigenen kulturellen Rahmen stellt, in dem wir nicht nach Entsprechungen suchen, sondern kohärente neue Metaphern finden müssen.

2. Warum digital und analog nichts miteinander zu tun haben

Menschen, die dieser Adaption von Analog zu Digital den Kampf angesagt haben, nannten sich Hacker und wurden lange Zeit von der Gesellschaft als kriminelle Eindringlinge in Computersysteme verschrien. Heute gelten sie als die Netzversteher. Nicht selten hatten sie ihr erstes Coming Out in der Computerkunst und haben gezeigt, dass das Digitale eine eigene Kultur hervorbringt, die mit der analogen Welt so wenig kompatibel ist, dass wir es als Störung, statt als Kunst verstehen: Beispielhaft sei hier das Projekt Blinkenlights genannt, aber auch die Arbeiten von Aram Bartholl.

Ob wir um das Urheberrecht ringen, ein Umdenken in Bildung oder Politik fordern oder der Verwahrlosung der Sprache durch digitale Medien den Kampf ansagen, es hat mit der unweigerlich scheiternden Adaption des Digitalen an das Analoge zu tun. Aber was ist eigentlich im Digitalen so anders und in welcher Weise beeinflussen diese Besonderheiten das Lernen und das Verstehen der digitalen Welt?

2.1. Copy by Default

Der Computer und später das Internet basierten schon immer darauf, dass Daten, also Informationen kopiert werden konnten, ohne das Original von der Kopie unterscheiden zu können. Damit einhergehend vermehrt sich die digitale Information im Gebrauch, im Gegensatz zu materiellen Gütern. Ohne dieses Phänomen hätte sich die digitale Kommunikation niemals durchgesetzt. Man stelle sich vor, E-Mails würden von einer Festplatte verschwinden, wenn sie verschickt werden. Das Internet wird also zu einer Kopiermaschine, deren Sinn und Zweck vor allem darin liegt Wissen und Informationen zu kopieren und immer wieder neu zu arrangieren.

Politische Bildung, wie jede andere Bildungssparte auch, braucht kopier- und anpassbare Quellen, sonst können Diskurse nicht weitergetragen und damit weitergeführt werden, sondern müssen immer wieder neu beginnen. Dabei sind nicht nur die Reibungsverluste immens, es wird auch zu einer Reduktion der Argumente und auszuwählenden Alternativen führen.

 2.2. Public by default

Es ist in digitalen Netzen wesentlich einfacher etwas zu veröffentlichen, als geheim zu halten. In der Kohlenstoffwelt ist es genau umgekehrt. Das hängt zum einen mit unterschiedlichen Entwürfen von Öffentlichkeit zusammen, zum anderen mit dem Zusammenfallen von Sender und Empfänger in einem Medium.

Das Internet hat zu einer Implosion des öffentlichen Raums geführt. Nie war es einfacher die Massen mit Informationen zu versorgen. Nie war es schwieriger Geheimnisse für sich zu behalten. Das Internet ist der Ort an dem der Bürger einen öffentlichen Raum vorfindet, ähnlich der griechischen Agora, an dem im arendt’schen Sinne politisches Handeln stattfinden kann. In Foren werden Meinungen diskutiert, in der Wikipedia wird um den neutralen Standpunkt gerungen, in Blogs werden politische Forderungen formuliert, Kampagnen und Petitionsplattformen organisieren den massenhaften Widerstand. Ohne die Öffentlichkeit erreichen zu können wären solche politischen Ansinnen nicht möglich.

2.3. Durchsuchbarkeit

Lange Zeit haben wir Dateien aus dem E-Mail-Eingangsordner in unterschiedliche sinnvolle Ordner sortiert, in der Hoffnung sie auch noch nach Jahren wiederzufinden. Jeder, der im Betrieb mit anderen an Projekten arbeitet, kennt das Problem der Verständigung auf eine gemeinsame Ordnerstruktur. Bei zunehmender Informationsmenge und Komplexität ist deshalb eine Überwindung der Ordnerstruktur nötig. Da es letztendlich egal ist, wo eine Information gespeichert ist, solange man sie wiederfindet, haben Ordnerstrukturen zugunsten von Volltextsuchen überlebt. Suchmaschinen haben diese Entwicklung schon lange hinter sich. Während in den Anfängen des www noch versucht wurde Katalogsysteme aufzubauen, hat sich schon seit Jahren die Volltextsuche von Google durchgesetzt. Eine Volltextsuche für die eigene Festplatte wird somit im Zeitalter der exponentiellen Zunahme von Informationen auf der Basis digitaler Netze unerlässlich.

2.4. Raum- und Zeitsouverän

Sobald Informationen einen digitalen Zustand einnahmen, war die Idee des Internets geboren. Denn nur so konnten sie auch ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden und einem Empfänger zugestellt werden. Heute ist es das normalste von der Welt, dass Bits in Sekunden um die Welt geschickt werden. Die Kommunikation hat seitdem seltsame Zwitter aus synchroner und asynchroner Kommunikation hervorgebracht. Projektsteuerung ist heute beides und die Email ist immer häufiger das, was früher der Chat war.

Während im Digitalen Informationen one2many, many2one, many2many und one2one gleichwertig im selben Medium distribuiert werden können, ist das in der stofflichen Welt schwierig, weil es nur den Echtzeitzustand gibt. Nur technische, zumeist digitale Hilfsmittel ermöglichen eine asynchrone Darstellung der Ereignisse.

2.5. Vernetzt/ verlinkt

Der Link, also der Verweis zwischen verschiedenen Informationen, ist das Blut in den weltumspannenden Netzen. Ein Text wird durch Links zu einem Hypertext, also einem Mehr als nur Text. Hypertexte können komplexe Sachverhalte darstellen, in dem Informationen fragmentiert und miteinander verlinkt werden. Sie lassen die Abbildung komplexer Sachverhalte in einfachen Textfragmenten zu, die miteinander verbunden, immer spezifischere Informationen liefern können. Hypertexte haben die Rezeption von Texten verändert und das Neue Lernen mit Medien erst ermöglicht, weil sie dem Lernenden die Möglichkeit gibt, vom fremdbestimmten Lernweg des Pädagogen abzuweichen. Eine Entsprechung in der analogen Welt ist schwer vorstellbar. Auch wenn es in Büchern immer wieder versucht wurde, hat es der Lesbarkeit des Textes eher geschadet, als genützt, wie bei Texten mit mehr als 10 Fußnoten pro Seite.

2.6. Read/Write

Von Beginn des Internets an stand der Austausch von Informationen im Vordergrund. Es ging keinesfalls nur um neue Distributionskanäle, sondern immer um den gleichberechtigten Austausch. Bei den frühen Versionen des Netscape Navigators war der sogenannte Composer, mit dem man Webseiten erstellen konnte, in den Browser integriert. Dadurch gab es keinen Unterschied zwischen dem Browsen und dem Ins-Internet-Schreiben. Die Nutzenden konnten aber mit einer solchen Funktion wenig anfangen und so wurde die Funktion aus dem Browser entfernt. Schon zu lange wurden die Menschen darauf konditioniert nur zuzuhören. Heute haben wir Facebook und Google+, aber auch Etherpads und die Wikipedia. Das Beschreiben von Internetseiten ist zurückgekommen, aber es folgt jetzt den Gesetzen der Plattformbetreiber und nicht mehr den Vorstellungen der Nutzenden. Tim Berners Lee betonte in seinem Buch „Weaving the web” dass das Web editieren zu können genauso wichtig ist, wie durch das Web zu browsen.

Das Internet wurde als nicht als neues Medium mit neuen Möglichkeiten begriffen, sondern rekurrierte auf die Nutzungsgewohnheiten, die vom Fernsehen, Radio oder auch der Zeitung bekannt waren, bei denen der Nutzende der passive Informationsempfänger war.

3. Unsichtbares sichtbar machen: Drei Beispiele aus der Seminarpraxis

Die vorangegangenen sechs Beobachtungen zeigen, dass das Digitale keinesfalls eine Abbild des Analogen ist, sondern ganz neue Rahmenbedingungen definiert Es stellt sich deshalb die Frage, inwiefern man die digitale Welt verstehen kann ohne auf Analogien aus der Kohlenstoffwelt zurückzugreifen. Die Seminarerfahrung der letzten 15 Jahre zeigt, dass die Missverständnisse, die solche Analogien hervorrufen eine politische und gesellschaftliche Bewertung der digitalen Welt sehr schwer macht.

Die Teilnehmenden, die die Seminare des DGB Bildungswerks im Bereich der politischen Computer und Medienbildung besuchen, sind meist zwischen 45 und 65 Jahren. Die wenigsten sind mit dem Computer groß geworden. Dennoch ist ein Großteil von digitaler Technologie umgeben. Sowohl den Computer zu Hause als auch das Smartphone in der Tasche nutzen sie regelmäßig. So, wie wahrscheinlich viele andere auch. Eine latente Unsicherheit ist Teil Ihres Nutzungsverhaltens aber gleichzeitig beruhigen Sie sich damit, dass alle Menschen um sie herum mit digitalen Helfern auf eine ähnliche Weise umgehen.

Überwachung ist für sie eine abstrakte Bedrohung, die zu keinem aktiven Auseinandersetzen und Umgang mit der Thematik führt. Ganz häufig ist im Seminar zu hören, dass sie als Bürger nichts zu verbergen hätten und selbst wenn, sei es für den Staat oder privatwirtschaftliche Unternehmen wie Facebook vollkommen uninteressant.

Als 2010 Google Streetview in Deutschland an den Start ging, wurde klar wie man die Bevölkerung zu dem Thema Überwachung nicht nur sensibilisieren sondern auch mobilisieren kann. Es waren die Google Autos auf der einen Seite und die im Internet zu sehenden Häuserfassaden auf der anderen Seite, die den Bürgern eine scheinbare Überwachungstechnologie sichtbar machte. Scheinbar deswegen, weil die Überwachung hier mehr eine Momentaufnahme von Gegenständen war, als eine tatsächlich lückenlose Dokumentation menschlichen Verhaltens, wie sie durch geheimdienstliche Überwachung möglich ist. Dennoch hat die Diskussion über Privatsphäre zu dieser Zeit einen nie da gewesenen Boom erlebt. Das war der Anlass, darüber nachzudenken, inwiefern eine solche Auseinandersetzung in Bildungsprozessen reproduziert werden kann.

3.1. Drohne

Ausgehend von den Beobachtungen zu Streetview wurde in Hattingen für den Seminarbereich Technologie und Gesellschaft eine Drohne angeschafft. Eine alternative Bezeichnung ist Quadrokopter, weil das Flugobjekt aus vier Rotoren besteht, die die Maschine in der Luft stabilisieren. Im Seminar wird die Drohne jedoch ausschließlich verwendet, um dem Gerät ein bedrohliches Antlitz zu geben. Mit einem Durchmesser von ca. 50 cm erscheint sie deshalb nicht groß und bedrohlich.

Da das Fluggerät windanfällig ist, kann man es ohne Probleme im Seminarraum fliegen lassen. Es geht dabei weniger um spektakuläre Manöver, als um die Präsentation einer Überwachungsmetapher. Die im Seminar benutzte Drohne ist laut und für einen tatsächlichen Überwachungsangriff nicht zu gebrauchen. Die Maschine besteht aus zwei Kameras. Die eine ist seitlich angebracht und ermöglicht den Blick nach vorne, die andere filmt nach unten und ermöglicht so Bilder von dem überflogenen Gebiet. Ein GPS-Flugschreiber kann die Steuerung der Drohne übernehmen, wenn sich diese außerhalb des Empfangsbereich der Fernsteuerung befinden sollte. Der Flugschreiber zeichnet die geflogene Strecke auf und ist in der Lage ohne weiteren menschlichen Eingriff automatisiert den Rückflug anzutreten, sollte sich der Akku dem Ende zuneigen.

Sowohl die Lautstärke der Rotoren, als auch die seitlich angebrachte Kamera sorgen unter den Teilnehmenden für Unwohlsein. Häufig ist die erste Reaktion auf die Drohne, „wenn so ein Ding über meinem Garten fliegt, schließe ich es ab“. Es wird immer wieder deutlich, wie verstörend eine vergleichsweise harmlose Technologie auf die Teilnehmenden wirkt. In der anschließenden Reflexion zeigt das Team den Teilnehmenden die Videos, die die Drohne von Ihnen gemacht hat und erklären Ihnen, dass die Überwachungsmöglichkeiten, die ihr Smartphone in Ihrer Hosentasche eröffnet, um ein Vielfaches präziser und aufschlussreicher sind.

Da viele der Teilnehmenden das Betriebssystem Android von Google auf ihrem Handy installiert haben, ist es möglich einen Blick auf die seit Jahren angesammelten Daten im so genannten Dashboard bei Google zu werfen. Und auch wenn die meisten Teilnehmenden des Seminars das Speichern der Daten bei dem Internetgiganten nicht erlauben, finden sich hin und wieder alte Datenspuren. Aber auch vollkommen unbedarfte Nutzer, denen nicht klar war, dass seit Inbetriebnahme ihres Smartphones nicht nur Suchanfragen bei Google und YouTube, sondern auch eine lückenlose Standort-History der letzten Jahre zu finden sind.

Die Konfrontation mit der Drohne ist als eine bewusst emotionale Erfahrung gestaltet. Diese Art des Erlebens ermöglicht es, das Thema Überwachung, ausgehend von den privaten und persönlichen Erfahrungen, zu diskutieren und mit politischen Begehrlichkeiten zu konfrontieren. Die Bedrohung, die durch die Drohne suggeriert wird, kann ein wachsendes Bewusstsein für ein aktives Zuwehrsetzen gegen die eigene Überwachung fördern.

3.2. 3-D Drucker

Jenseits des Überwachungsthemas hat sich gezeigt, dass anhand von Geräten, die der Anschauung der Digitalisierung dienen, erstaunliche Reflexionsprozesse eingeleitet werden können. Im Zusammenhang mit dem Themenfeld „Zukunft der Arbeit“ wurde für die Seminare ein 3-D Drucker angeschafft mit dem das Ineinandergreifen aus digitalen und analogen Fertigungsprozessen sinnvoll veranschaulicht werden kann.

Die 3-D Drucker sind im Konsumentenbereich aus der Open Source Bewegung hervorgegangen. Die so genannten Makerbots waren die ersten für Konsumenten erschwinglichen Geräte. In den letzten Jahren sind eine Reihe weiterer Hersteller in den Markt vorgedrungen und haben den 3-D Drucker salonfähig gemacht. Ende letzten Jahres hatte der Versandhandel Tchibo ein solches Gerät in sein Weihnachtssortiment aufgenommen und es damit für die breite Masse salonfähig gemacht.

Zu Beginn werden den Teilnehmenden verschiedenste Datenbanken und Suchmaschinen gezeigt, in denen fertige Modelle herunterzuladen sind, um sie anschließend mit dem 3-D Drucker zu fertigen. Die bisher nur für digitale Güter wie Musik oder Film geltende Urheberrechtsproblematik hat sich, dass wird bei der Nutzung des Druckers klar, auf die Produktion ausgeweitet.

In einem zweiten Schritt versuchen die Teilnehmenden mit einer Webapp von Makerbot ein eigenes Objekt zu assemblieren. Auch das wird anschließend von dem Drucker als physisches Objekt angefertigt. In einem letzten Schritt können die Teilnehmenden mit einem so genannten CAD Programm ein eigenes Objekt erstellen und ausdrucken.

Auch wenn die Zukunft der Arbeit, zumindest in den nächsten zehn Jahren, nicht in einer replikatorähnlichen Technologie zu suchen ist, hilft der 3-D Drucker sich eine Zukunft der Arbeit vorzustellen, die nicht zwangsläufig zu einer Fortschreibung bestehender Technologien führt, sondern von einem Bruch in der bisher vorstellbaren Fertigung ausgeht.

Der 3-D Drucker ist also auch hier nur eine Metapher und eine Vorstellungshilfe um über die Zukunft der Arbeit ins Gespräch zu kommen.

3.3. Escape the room

Viele Menschen verspüren ein Gefühl des Ekels, wenn in ihre Wohnung eingebrochen wurde und das ist vollkommen berechtigt. Die Wirkung des Einbruchs in unseren privaten Raum ist dann meist greifbar und beängstigend.

Ein Einbruch in unsere digitale Privatsphäre und intimsten Gedanken ist jedoch nicht direkt spürbar und wird deshalb heruntergespielt. Doch wie können Menschen mit dem Digitalen konfrontiert werden? Wie kann es sichtbar gemacht werden?

Eine Möglichkeit, um das Interesse der Teilnehmenden zu wecken, ist die emotionale Erfahrung, wie schon bei der Drohne und dem 3-D Drucker beschrieben. Das Gefühl des Unbehagens aus dem Zusammenhang des Einbruchs müsste dabei direkt in die digitale Welt übertragen werden.

Eine Möglichkeit für die Schaffung solcher emotionalen Lernsituationen bieten sogenannte Live Action Role Plays, Planspiele oder Room Escapes. Dabei handelt es sich um Arten des Rollenspiels, durch die unterschiedliche Situationen oder Themen erlebbar gemacht werden können.

Für ein Seminar mit dem Titel: “Digitaler Selbstverteidigungskurs. Aktiv gegen Überwachungsapperate, Spähfanatiker und Kontrollsucht vorgehen lernen” wurde ein sogenanntes Escape the Room vorbereitet, bei dem die Teilnehmenden in kleinen Gruppen mit einer fiktiven situations konfrontiert werden, bei der sie den, in einem Raum verteilten Hinweisen auf die Spur kommen müssen. Dazu müssen die im Seminar gelernten Selbstverteidigungsmethoden genutzt werden, um nicht abgehört zu werden. So wird zum Beispiel ein Handy mit einer Spionage-Software versehen, mit dem die Gruppe Kontakt zur Protagonistin aufnehmen kann. Durch den Vollzugriff auf das Handy ist es möglich unbemerkt Daten auf das Gerät zu laden und die Gruppe damit zu konfrontieren. Wie die Daten auf das Smartphone geraten wird erst am Ende des Spiels transparent gemacht. Die Aufgabe der Seminargruppe ist es, eine sichere Kommunikationsumgebung zu nutzen. Das Spiel findet in einer inszenierten Wohnung im Tagungszentrum statt. Die Teilnehmenden müssen bei der Bewältigung der Aufgaben ohne die Hilfe des Team handeln.

Die Reflexion nach Abschluss des Spiels macht deutlich, dass das einzelne Datum meist sehr uninteressant ist, aber die Kombination verschiedener Informationen Interpretationen zulassen, deren Schlüsse unangenehme Konsequenzen zur Folge haben, weil die Strafverfolgung zumindest für den Verfolgten komplett unbemerkt bleiben kann und die Deutungshoheit nicht bei den Beobachteten liegt. Die Vorratsdatenspeicherung macht dabei aus jedem Bürger einen Beobachteten. Die damit einhergehenden Einschnitte in die demokratischen Grundrechte der Bürger lassen sich durch das Erlebte besser nachvollziehen.

4. Fazit

Die häufig genannte Verschmelzung von analoger und digitaler Welt ist eine vollkommen richtige Wahrnehmung. Der gesellschaftliche Umgang geht jedoch häufig davon aus, dass es sich beim Digitalen um ein 1:1 Abbild der Analogen Welt handelt. Das führt zu einer Reihe von Missverständnissen, wie an den Auseinandersetzungen um das Urheberrecht deutlich wird, aber auch bei den Diskussionen um Privatsphäre oder die Gefahren des Internets.

In Bildungsprozesse müssen deshalb die Missverständnisse aufgedeckt und bewusst gemacht werden. Nur dann kann es zu einem, dem digitalen Aggregatzustand passenden Umgang mit dem Digitalen kommen, dass sich schon lange nicht mehr auf das Internet bezieht, dass man durch ein Browserfenster bedient. Erst, wenn das Digitale als Lebensraum mit eigener Kultur begriffen wird, wird es schmerzen, wenn die Vorratsdatenspeicherung einen Blick in die Bewegungsdaten der Bevölkerung legalisiert, weil sie nichts anderes sind, als Spitzel, die jeden unserer Schritte lückenlos dokumentieren.