Seit einigen Jahren nehme ich im Sommersemester einen Lehrauftrag an der Uni Duisburg im Bereich der Mediendidaktik wahr. Während des Semesters konzipieren und produzieren die Studierenden ihr eigenes Medienprojekt. Daraus ist zum Beispiel schon das Facebookspiel hervorgegangen. Statt eines Seminarberichts, schreiben die Studierenden in meinem Seminar ihre Erfahrungen und Projektdokumentation während des Seminars in ein Blog. Im letzten Jahr hat mich die werte Kollegin Judith Bündgens-Kosten gefragt, ob wir nicht in einem wissenschaftlichen Magazin über die Seminarblogs schreiben sollen. Von Forschung, sagte ich ihr, habe ich keine Ahnung. Forschungsmethoden habe ich zusammen mit großen Teilen meines Studiums in den Untiefen meines Langzeitgedächtnisses begraben. Judith ist jedoch eine begnadete Forscherin und hat ein fein abgestimmtes Forschungsdesign mit Fragebogen und interviews zusammengestellt. Nach dem Semester haben wir die Ergebnisse interpretiert und einen Text verfasst, der nach dem Review-Verfahren vor kurzen bei der Zeitschrift Schreiben veröffentlicht wurde.

Die Ergebnisse können im Einzelnen hier nachgelesen werden. Hier seien einige Ergebnisse zusammengefasst für alle, die die ganzen 11 Seiten nicht lesen wollen:

  • In dieser Fallstudie wurde deutlich, dass die Öffentlichkeit, als abstrakte,imaginierte, idealisierte Öffentlichkeit, durchaus eine Rolle für die Studierende und für deren Schreibaktivitäten spielte. Man schrieb für eine imaginierte Leserschaft, die über die Teilnehmer/innen des Seminars hinausging, und die damit, auf der symbolischen Ebene, bedeutsam war.
  • Für die Kommunikation mit den Kommilitonen/-innen wurde eine geschlossene Facebook-Gruppe gegründet, die eine Parallelöffentlichkeit für die noch nicht im Blog geposteten Beiträge darstellte. Erst nachdem Texte innerhalb der Facebook- Gruppe der Peer-Kritik ausgesetzt worden waren, wurden sie im Blog publiziert, und dort der Kritik des Dozenten, der hier die Rolle des Publikums erfüllte, ausgesetzt.
  • Einen Unterschied zu den meisten studentischen Textproduktionen stellt dagegen die über Facebook organisierte Parallelöffentlichkeit dar, durch die sich die Studierenden, konfrontiert mit einem öffentlichen Lernmedium, einen geschützten Raum schufen, in dem sie untereinander Texte austauschen und kritisieren konnten. Zu beachten hierbei ist, dass die Studierenden aus eigenem Antrieb, ohne Absprache mit dem Dozenten und unter Ausschluss des Dozenten, diese Gruppe anlegten
  • Beim studentischen Schreiben kann das Seminar als Bezugsgruppe und der/die Dozierende als eine Art ‹Bewertungsöffentlichkeit›
    eine große Rolle spielen. Die ‹allgemeine Öffentlichkeit› dagegen ist in aller Regel von symbolischer Bedeutung, aber nicht unbedingt praktisch vonnöten, um Projekte wie diesem zum Erfolg zu verhelfen.

Ein vergleichbares Projekt hat Oliver Tacke an der TU Braunschweig beforscht: „Seminararbeiten in offentlichen Wikis verfassen – Einschätzungen aus der Perspektive von Studierenden und der Lehrperson im Fach Betriebswirtschaftslehre“. Dort stand aber vor allem die Kollaboration in Wikis im Vordergrund. Er hat sich jedoch unter 4.2. auch mit der Öffentlichkeit auseinander gesetzt. In meinem Seminar hatten die Studentierenden jedoch keine Möglichkeit im Vorhinein ein nicht-öffentliches Seminar zu wählen, wodurch die Ergebnisse nach Tacke erheblich beeinflusst waren.