Fotokopierer

CC by-nc-sa 2.0 by Valley Library (Oregon State University) (flickr)

Am 07.12.11 fand in den Räumen der Heinrich Böll Stiftung die Veranstaltung „Schulbuchtrojaner. Urheberschutz oder Gefahr für die Freiheit von Lehre und Forschung?“ @ciffi hatte die Diskutanten im Vorhinein um das Einreichen von Thesen gebeten. Die spielten dann in der Diskussion keine Rolle mehr. Die Arbeit soll aber nicht umsonst gewesen sein. Also noch etwas aus meiner Sicht zur Veranstaltung am 07.12.

Ich habe mir als Vorbereitung den Vertrag zwischen KMK und VdS noch einmal genauer angeschaut, dabei kam ich natürlich auch nicht um diverse Webseiten herum, die der VdS zusammen mit der KMK betreibt. Die nicht zu leugnende enge Beziehung zwischen der Lobbyorganisation VdS und der staatlichen KMK fällt dabei besonders negativ auf. Hier einige hervorstechende Zitate:

  • „Die Lehrkräfte profitieren von dem neuen Fotokopiervertrag in zweifacher Hinsicht: Die Regelungen sind für den Unterrichtsalltag praktikabel. Und: Lehrerinnen und Lehrer erhalten Rechtssicherheit.“ (vgl. http://www.schulbuchkopie.de/huntergruende.html) / pers. Anm.: Rechtssicherheit = Unsicherheit im praktischen Lehreralltag
  • „Zulässig sind nur analoge Kopien. Die digitale Speicherung und ein digitales Verteilen von Kopien (z.B. per E-Mail) ist schon von Gesetzes wegen nicht gestattet und wird von der neuen vertraglichen Regelung ebenfalls nicht erfasst.“ (http://www.schulbuchkopie.de/neuenregeln.html)
  • Video des VdS zur Produktion eines Schulbuchs mit dem Titel „Die Schulbuchmacher“. Der Titel macht schon deutlich, dass es nicht um das Schulbuch, sondern um seine Macher geht, also die VdS. Der Inhalt des Video erinnert an die Zeit, als es noch Lexikas gab, bei denen mit ähnlichem Engagement die Sicherung der Qualität hervorgehoben wurde. In dem Video ist auch zu hören: „Schulbücher werden an moderne Unterrichtskonzepte angepasst.“ Das ist echt vermessen.
  • Der VdS hat übrigens die Webseite http://www.schulbuchkopie.de/ auch als Flyer produziert. Auf die Idee muss man erst mal kommen: Was für Hardcore Internetausdrucker: Ein in eine Webseite gegossener Flyer zum Download. Wer so etwas macht, für den ist der Unterschied zwischen einer Webseite und einem gedruckten Flyer auch auf die leichte Reproduzierbarkeit des Digitalisates reduzierbar.

Dann als zweites die Thesen, mit denen ich in den Ring gestiegen bin und die Michallik vor dem Hintergrund einer „Phantomdiskussion“ kollektiv entkräften wollte, was ihm aber nicht gelang.

  1. Urheberrecht = Indoktiniation oder etwas milder Verkündigung von Wissen. Bilden in der Wissensgesellschaft heißt aber gestalten und konstruieren, dass wird mit dem Urheberrecht schwierig.
  2. Copy & Paste ist nicht das Ende eines individuellen kreativen Prozesses, sondern sein Anfang.
  3. Streng genommen findet auch bei heutigen Fotokopierern eine Digitalisierung statt.
  4. Das Bezahlmodell für Schülbücher sollte eine Art Flatrate sein, analog der Kulturflatrate-Idee, weil das aufrechterhalten alter Verwertungsmodelle die Bildung bewahrt statt revolutioniert.
  5. Die Schnüffelsoftware macht den Einzug des Neuen lernens in Bildungsinstitutionen schwer bis unmöglich, ist aber ein Indikator für die Bewahrpädagogik von Oben.
  6. Die Schnüffelsoftware mahnt alle Beteiligten über Lizensierung von Wissen in Bildungsprozessen zu sprechen und damit über einen Reboot von Lernen überhaupt.
  7. Jetzt, wo wir die Read/Write Medien kennen und schätzen lernen, verhindern Schulbücher, die am Urheberrecht festhalten, zeitgemäß mit Wissen umzugehen.
  8. Die Digitalisierung bei der Wissenskonstruktion zu verhindern ist ein falsches Zeichen für die Zukunft des Lernens
Auffällig war in der Diskussion die Opferrolle, in der sich die KMK sieht. Erst der 2. Korb des Urheberrechts machte einen solchen Vertrag möglich sagte Michallik. Der Vertrag selber hat es jedoch in sich:
  • 97 Mitglieder im VdS Bildungsmedien e.V. teilen sich 7.300.000 Mio aus der „Kopierflatrate“. Hier noch mal die Übersicht der Abgaben im Laufe der nächsten Jahre:
  • Die Abgaben auf Fotokopien steigen jedes Jahr um ca. 500.000,00 Euro. Wie eine solche Anpassung über 4 Jahre zustande kommen kann ist vollkommen unklar.
  • Bei 43.555 Schulen 2011 in Deutschland ergeben sich daraus bei einer Gesamtabgabe von 7,3 Mio € 167,00 € pro Schule.

Die Frage, die selbstverständlich offen blieb, war die von @maltespitz. Wenn die KMK solche Verträge mit der Privatindustrie schließen muss, wo bleibt dann das Erarbeiten und Ringen um Alternativen. Michallik gab nur zu, dass OER der KMK nicht unbekannt sei. Um es mit den Worten der Macher der Shiftvideos zu sagen: „Jetzt, wo sie all dies wissen, wie wollen sie damit umgehen?“

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