Hat die Gestaltung oder auch die Nicht-Gestaltung Einfluss auf den Lernprozess der Teilnehmenden? Die Reggio-Pädagogik spricht vom Raum als 3. Pädagoge. Dazu gehört aber perturbierendes Potential. Die ungewohnten Bedingungen zwingen auch die erprobten Konzepte auf den Prüfstand zu stellen.
Leider gibt man sich bei der Gestaltung von Lernräumen selten viel Mühe. Seminarräume werden häufig von Innenarchitekten analog zur eigenen Bildungsbiografie mit einer Tafel an der Front ausgestattet. Referenten passen sich den Gegebenheiten an, weil es auch ihrer Erwartungshaltung entspricht. Das Ergebnis ist die Umsetzung eines etablierten Konzeptes. Dagegen lässt sich nichts einwenden, solche Räume vor Augen, machen aber auch die Entwicklung anderer Konzepte schwierig.
Kommen Teilnehmende in einen leeren Seminarraum, oder zumindest in einen fast leeren Seminarraum entsteht die Notwendigkeit ihn zu gestalten und damit auch Verantwortung für das Seminar zu übernehmen. Erfahrungen mit ähnlichen Konstellationen im Hattinger Medienzentrum haben gezeigt, dass es die Teilnehmenden zu Beginn eines Seminars überfordert, aber am 2. Tag besteht geradezu ein Bedarf den „Arbeitsplatz“ einzurichten und ausgerichtet an den Vorhaben und Erwartungen an das Seminar zu gestalten. Dieser Schritt der Inbesitznahme des Raumes schafft auch eine von Eigenverantwortung getragene Kultur für das weitere Seminar. Das Erreichen der individuellen Seminarziele wird zu einem persönlichen Auftrag. Dazu brauchen Seminarräume eine möglichst spartanische Einrichtung und viele zu gestaltende Einrichtungselemente.
Im DGB Tagungszentrum wird seit Anfang des Jahres ein neuer Speisesaal und eine neue Küche gebaut. Der bestehende Speisesaal im DGB Tagungszentrum Hattingen könnte in Folge dessen zu einem einmaligen Ermöglichungsraum werden. Gibt es einen idealeren Seminarraum als einen als Speisesaal konzipierten Raum, in dem das Gespräch und soziale miteinander im Vordergrund stehen? Ich habe mir Gedanken um mögliche Einrichtungsgegenstände gemacht und würde mich freuen, wenn ihr am Ende in den Kommentaren die Liste erweitert. Ich werde hier im Blog bewußt keine Links zu Herstellern posten. weil es mir nicht um Werbung geht, sondern um die Funktion, die die jeweiligen Elemente im Lernprozess einnehmen können:
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Einrichtung |
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1. Stellwände: Sie sind das „Baumaterial“ für den Raum. Neben Tischen und Stühlen entstehen mit Hilfe der Stellwände kleine Projektuntergruppen, Litfaßsäulen die das Brainstorming von unterschiedlichen Gruppe zusammenfassen oder Präsentationswände für die Seminarzeitung. Schaltzentralen für die zentrale Projektverwaltung, Gänge, die aus einem, zwei Seminarräume machen. Das Stellwandsystem sollte einem Messebausystem ähneln. So lassen sich mit Hilfe des Baukasten immer neue Konstellationen und Einrichtungsgegenstände für den Speisesaal erzeugen. |
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2. Elektrostatisches Flipchartpapier: Funktioniert genauso wie normales Flipchartpapier. Es ist nur kein Papier, sondern ein Kunststoff, der an nahezu allen glatten Flächen elektrostatisch haftet. |
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3. Whiteboardfolie für Tische: Wenn Tische dieselbe Oberfläche wie Whiteboardtafeln bekommen, kann man mit den entsprechenden Stiften direkt auf ihnen schreiben und anschließend auch wieder auswischen. Für ein Worldcafe bestens geeignet, aber auch um die Kritzeleien während des Seminars festzuhalten. |
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4. Livescribe Kugelschreiber: Es handelt sich um ganz normalen Kugelschreiber, der neben seiner Miene mit einem Infrarotscanner ausgestattet ist. Die Teilnehmenden können ganz normal ihre Notizen mit einem ihnen bekannten Werkzeug machen. Es wird aber parallel digital so aufgezeichnet, dass das Geschriebene per USB an den Computer übertragen werden kann, der die Notizen vervielfältigt und in die digitale Dokumentationsmappe der TN integriert werden kann. |
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5. Schienensystem für die Wände, das bei Bedarf mit Whiteboards, mit Flipcharts oder auch mit Beamerwänden ausgestattet werden kann. Im Seminarraum ist aber nur das Schienensystem in der Standardausstattung an der Wand. Das Zubehör hängen die Teilnehmenden und Referenten dort ein, wo sie es brauchen und vor allen, wenn sie es brauchen. |
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6. Tablets: Empfehlen würde ich zur Zeit den eee Transformer. Ein Tablet mit Android Betriebssystem, das aber auch mit Tastatur als Netbook genutzt werden kann. Hier geht es auch gar nicht um eine 1:1 Ausstattung für die Teilnehmenden. Tablets haben die Eigenschaft, dass sie sich für die Integration in eine Gruppenarbeit eignen, weil sie umhergereicht werden können, sofort einsatzbereit sind und sich intuitiv erschließen. Sie haben so wenig mit einem Notebook zu tun, wie der Overhead-Projektor mit dem Beamer. |
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7. Das Mimioboard ist ein mobiles Smartboard. Dort wo ein Beamer und ein Whiteboard ist, kann es eingesetzt werden. Alles was der Beamer zeigt, kann mit einem speziellen Stift interaktiv unterstrichen, markiert oder anotiert und vor allen Dingen digital gespeichert werden. Entscheidend ist die Mobilität der Smartboardfunktion, wie unter Punkt 8 zu sehen ist |
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8. Minibeamer, die auf ein Stativ geschraubt und einen Tisch von oben beleuchten können. Im Kombination mit dem Mimioboard entsteht eine interaktive Tischoberfläche, die von mehreren TN gleichzeitig gespielt werden kann. Leider gibt es davon kein Bild, weil ich so eine Installation voher auch noch nie gesehen habe. Ich weiss also auch nicht wirklich, ob es funktioniert, und wenn ja, welche Wirkung es auf die Gruppe hat. Die Idee wurde übrigens inspiriert von Patrick Baum mit seinem Artikel „Digitale Schultasche 8: Hosentaschen-Beamer„ |
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9. Eine Kaffeemaschine ist der Ort für die Pause. der Pausenort sollte mit in den Lernraum integriert sein. Er ist ein informeller Raum, in dem Gespräche jenseits der Lernprojekte stattfinden und dem sich die Teilnehmenden auf ganz andere Weise aufeinander beziehen. |
Ein möglicher Name für einen solchen Raum könnte Lernarium sein. Gemeint ist ein Raum, in dem gelernt werden kann, weil er Perturbationen hervorruft und die Teilnehmenden ständig in ihren bestehenden Konstrukten hinterfragt. Gleichzeitig beschreibt es aber auch ein autopoietisches System, deshalb die Endung -arium. Auf der anderen Seite ist es aber auch der Ort, an dem Atome (analoge Welt) und Bits (digitale Welt) miteinander verschmelzen ohne das die Gegenwart von Computern unmittelbar sichtbar wäre.